Gewalt bei Neonazi-Demo : Prügel von der Polizei

Die Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch am Samstag wurden von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschattet. Polizisten und Demonstranten wurden verletzt. Hinz&Kunzt war dabei, als ein Sitzblockierer von der Polizei verprügelt wurde.

Aggressiver Polizeieinsatz in der Griesstraße: Demonstranten versuchen, die Polizisten zu beruhigen.

Plötzlich kamen die Polizisten angerannt, völlig außer sich, einige brüllen. „Zurück!“, schreit einer immer wieder, der die Fassung verloren zu haben scheint. Auf der Straße sitzen vier Demonstranten, die sich zu einer spontanen Blockade nieder gelassen hatten. Sie werden halb überrannt und beiseite gezerrt. Einer wird von einem Polizisten mehrfach getreten und mit dem Schlagstock verprügelt, während er wehrlos am Boden liegt. Es ist Stephan aus dem Occupy-Camp in der Innenstadt, den wir in der Mai-Ausgabe der Hinz&Kunzt interviewt hatten. Er krümmt sich auf dem Boden, hat ein schmerzverzerrtes Gesicht, wird später über zahlreiche blaue Flecken klagen. Andere versuchen, die Polizisten zu beruhigen – ohne Erfolg. Sie werden von den Beamten abgedrängt. Dann lassen die Polizisten aus Sachsen von Stephan ab und ziehen sich zurück. Einen Sanitäter rufen sie nicht.

Doch Stephan rappelt sich wieder auf und geht wenige Minuten später zielstrebig auf die Polizeikette zu, die ihn gerade verprügelt hat. „Wer hat Ihnen den Befehl gegeben, vorzurücken?“, fragt er die Beamten. Er bekommt keine Antwort auf seine Frage. Bei wem er sich beschweren könne, will er wissen. Er solle 110 wählen, antwortet ein Polizist. Ein anderer sagt: „Ihr schmeißt doch mit Steinen und zündet Autos an. Hau’ doch einfach ab!“ Stephan beteuert, nichts dergleichen getan zu haben. Unbekannte hatten unweit der Stelle in der Griesstraße, an der sich Stephan zunächst alleine vor die Polizeikette gesetzt hatte, zwei Privatautos angezündet. Die Neonazis marschierten zu der Zeit in der parallelen Marienthaler Straße.

Kurz zuvor hatte die Polizei eine Sitzblockade im Peterskampweg geräumt, um die Nazis zurück zum Bahnhof Hasselbrook bringen zu können. Mit Wasserwerfern, Pfefferspray und unvermittelten Schlägen auf die Köpfe der Demonstranten bahnten sie den Neonazis den Weg, die sich mit Applaus dafür bedankten. Vereinzelt flogen Gegenstände auf die Polizisten, die meisten Gegendemonstranten waren aber friedlich. Kurz darauf gingen in der Griesstraße die zwei Autos in Flammen auf.

Zunächst hatte Stephan sich alleine vor die Polizeikette gesetzt...
...dann setzten sich drei weitere Demonstranten dazu. Plötzlich stürmte die Polizei auf sie zu, Stephan kassierte Prügel.
Wenig später stellte Stephan die Polizisten zur Rede. Wenn er sich beschweren wolle, könne er ja die 110 anrufen, antwortete einer.
Als die Polizisten sich zurück zogen, spendete Stephan höhnisch Applaus. Die Neonazis waren zu diesem Zeitpunkt längst an ihrem Ziel angekommen.

 

 

Als „rücksichtslos und brutal“ bezeichnete das Hamburger Bündnis gegen Rechts den Polizeieinsatz. „Die Polizei hat die Ersatzroute der Nazis durchgeknüppelt, statt rechtliche Möglichkeiten für ein Verbot der Nazi-Demo zu nutzen“, sagte Olaf Harms vom Bündnis. Die ursprüngliche Demo-Route der Neonazis war etwa zur Hälfte durch tausende Menschen blockiert, sodass die Demonstration ins Hammerbrook-Quartier mit seinen engen Straßen umgeleitet wurde. Aber auch hier gab es Blockaden, die die Polizei geräumt hat. Der Ermittlungsausschuss, der sich um die Rechte der Demonstranten kümmert, spricht von mehreren Kopfverletzungen bei Demonstranten und einer gebrochenen Hand eines Rollstuhlfahrers. Nach Polizeiangaben wurden auch 38 Polizisten verletzt. Autonome warfen Flaschen und Steine, zündeten auf der Demonstrationsroute Mülltonnen an. Racheaktionen der Polizei gegen Unschuldige rechtfertigt das aber nicht.

Über einen ähnlichen Vorfall berichtet die Hamburger Morgenpost, der sich auch in der Griesstraße zugetragen haben soll: Eine Frau sei hier von einem Polizisten geschubst worden, woraufhin sie sich am Kopf verletzt habe. Auch auf diesem Foto sind Beamte mit sächsischem Landeswappen zu sehen.

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Text und Fotos: Benjamin Laufer