Hans-Werner M. hat seine Wohnung endgültig verloren. Der 69-Jährige hatte sich gegen die Räumung gewehrt. Der Protest von 50 Aktivisten aus dem Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“ half nicht. Immerhin: Hans-Werner M. bekommt eine neue Unterkunft.
Hans-Werner M. war einer der letzten Mieter in den Wohnungen des städtischen Unterkunftsbetreibers fördern und wohnen (f&w) in Harburg-Rönneburg. Die Nutzungsverträge mit dem städtischen Wohnungsunternehmen Saga GWG sind allerdings ausgelaufen. Weder f&w noch Saga GWG wollten sie verlängern. Heute morgen überbrachte die Gerichtsvollzieherin dem 69-Jährigen den Räumungsbescheid. „Diese Zwangsräumung ist ein massiver Eingriff in das Leben eines fast 70-Jährigen“, sagt Katherina Jung, Sprecherin der Kampagne gegen Zwangsräumungen. „SAGA und f&w entziehen sich mittels gegenseitiger Schuldzuweisungen ihrer sozialen Verantwortung.“
In den 57 Wohnungen in Harburg-Rönneburg hatten ehemalige Wohnungslose eine neue Bleibe gefunden. Nach Abschluss des Projektes wurden allen Bewohnern Alternativwohnungen von Saga GWG oder von fördern und wohnen angeboten. Aber M. wollte bleiben: „Ich möchte diese Wohnung von der Saga mieten“, hatte er Anfang der Woche gegenüber Hinz&Kunzt erklärt.
Unterstützung erhielt er vom Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“. „Die Wohnungen wurden gezielt entmietet“, so Sprecherin Katherina Jung. „Hier wird bezahlbarer Wohnraum vernichtet. Die Sage GWG wird die Wohnungen teurer weitervermieten.“ Das offenbar auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen, räumte f&w-Geschäftsführer Vaerst gegen über Hinz&Kunzt Ende März selbst ein. Das „befristete Mietwohnen“ mit umfassender Betreuung durch Hauswarte und Sozialarbeiter sei „wirtschaftlich nicht umsetzbar“. Auf alle Fälle gehen zwölf Wohnungen für benachteiligten Menschen verloren.
Bereits ab 8.30 Uhr versammelten sich die Aktivisten vor der Wohnung von Hans-Werner M. Vor der Haustür nahmen sie Platz und blockierten den Eingangsbereich. Um 10 Uhr war es soweit: In Begleitung zweier f&w-Mitarbeitern wollte sich die Gerichtsvollzieherin Zugang zum Haus verschaffen. Am Haupteingang war allerdings kein Durchkommen. Erst über den Hinterhof gelangte die Gerichtsvollzieherin mit Unterstützung der Polizei schließlich in die Wohnung im Dachgeschoss und überreichte den Räumungsbescheid.
Unten auf der Straße sammelten sich derweil Nachbarn, Unterstützer und Pressevertreter. Hans-Werner W. öffnete das Fenster im Dachgeschoss, winkte seinen Unterstützern zu und rief: „Vielen Dank.“ Kurz darauf kam er unter Applaus die Treppe herunter. Draußen bildete sich sofort eine Menschentraube. Einige umarmen ihn, andere klopfen ihm aufmunternd auf die Schulter. Wie es ihm nun ginge? „Es ist ein bisschen unangenehm, weil so viele da sind und so ein Aufwand für mich betrieben wird“, so M. „Daneben ist es das durchaus auch ein gutes Gefühl.“ Die f&w-Mitarbeiter hätten ihm einen neuen Vertrag für eine Wohnung in Stellingen unterbreitet. „Hätte ich nicht unterschrieben, wären meine Sachen irgendwo eingelagert worden und ich lande in der Notschlafstelle Pik As.“, so M. Er habe daher den Vertrag für die neue Wohnung sofort unterschrieben. M. meint: „Das war Erpressung.“
Bis morgen darf M. noch in seiner alten Wohnung bleiben. „Dann trage ich meine Sachen runter“, so M. Die Aktivisten wollen ihm dabei helfen. Wie es nun mit ihm weiter geht? M. wirkt erschöpft nach den aufregenden letzten Tagen. Man würde ihm sogar Umzugskartons bereitstellen, sagt er gereizt: „Es wird einem ja alles so leicht gemacht.“
Text und Fotos: Jonas Füllner