Weckruf an die Europäische Union: Zum Internationalen Tag der Roma belegen Menschenrechtler, dass etliche Roma in Europa bis heute Opfer von Benachteiligung und Gewalt sind. Der Vorwurf: Die EU setzt ihr Recht gegen Diskriminierung nicht wirkungsvoll durch.
Zum Internationalen Tag der Roma am 8. April fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die EU auf, die Diskriminierung von Roma in Europa wirkungsvoller zu bekämpfen. „Die Diskriminierung von Roma widerspricht dem EU-Recht und den Prinzipien von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, auf denen die EU basiert“, so Marie von Möllendorff, EU-Expertin von Amnesty International in Deutschland.
In Europa leben zehn bis zwölf Millionen Roma, etwa die Hälfte von ihnen in EU-Mitgliedsländern. Rechtswidrige Zwangsräumungen von Roma-Siedlungen seien in einer Reihe von Ländern an der Tagesordnung, so zum Beispiel in Rumänien, Italien und Frankreich. Acht von zehn Roma-Haushalten sind laut dem Amnesty-Bericht „Roma Rights Now“ von Armut bedroht. Nicht alle haben Zugang zu Trinkwasser. Beispiel Slowenien: Obwohl fast alle Bewohner in diesem Bereich versorgt sind, fehlt der Zugang laut einer Studie bis zu 30 Prozent der Roma im Südosten des Landes. Ein Grund: Die Behörden versorgen nur Menschen mit fließend Wasser, die bestimmte Dokumente beibringen können. Roma leben aber oft in selbstgegründeten Siedlungen und haben solche Papiere nicht. Deshalb fehlt ihnen Wasser zum Kochen, zum Wäschewaschen und für die Körperpflege. Sie berichten, dass sie lange Fußmärsche auf sich nehmen, um zu Wasserquellen zu gelangen: zu Pumpen in stillgelegten Fabriken oder auf Friedhöfen.
Kinder aus Roma-Familien werden in der Tschechischen Republik, Griechenland und der Slowakei oft aus dem regulären Unterricht ausgeschlossen, sie besuchen eigene Roma-Schulen oder Schulen für Kinder mit geistiger Behinderung. Zudem fehlt laut Amnesty International in vielen Ländern Schutz vor gewalttätigen Angriffen. 120 Übergriffe wurden zwischen Januar 2008 und Juli 2012 allein in Ungarn, Tschechien, Bulgarien und der Slowakei gezählt. Dazu gehörten Angriffe mit Stich- und Schusswaffen und Molotowcocktails.
Amnesty International fordert, dass die EU ihre Antidiskriminierungs-Gesetze wirksamer durchsetzt als bisher. Die Macht dazu habe sie. „Die EU belangt Mitgliedsstaaten sehr wohl, wenn es um technische Verstöße geht, etwa auf dem Gebiet des Transport- oder Steuerwesens. Bei rechtswidrigen Zwangsräumungen, Ausgrenzung oder durch Hass motivierten Angriffen passiert das aber nicht“, sagt von Möllendorff. „Die EU, die mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, hat die Macht, solche diskriminierende Praktiken in ihren Mitgliedsstaaten zu beenden. Sie sollte ihren Einfluss jetzt endlich nutzen.“
Der Vorsitzende des European Travellers Forum (ERTF), Rudko Kawczynski, forderte kürzlich bei einer Tagung in Hamburg: Die EU muss dafür sorgen, dass ihre Gelder zur Verbesserung der Situation von Roma nicht irgendwo versickern, sondern endlich bei den Roma ankommen. Zum Beispiel in Rumänien. Das Land sei regelrecht „romafeindlich“: EU-Mittel zur Verbesserung ihrer Situation würden nur zu 0,2 Prozent abgerufen, „weil man ihre Situation nicht verbessern will“.
Text: BEB
Foto: Mauricio Bustamante