Zuwanderung : Romafreie Zonen

Ungeliebt, an den Rand gedrängt, diskriminiert und vertrieben aus der eigenen Heimat: Viele Roma aus Südosteuropa wandern in die alten EU-Länder aus – oder versuchen es zumindest. Interessenvertreter prangern an: EU-Gelder versickern, kommen bei Roma nicht an. 

Rudko Kawczynski: EU-Gelder versickern, kommen nicht bei den Roma an.
Rudko Kawczynski, Vorsitzender des European Travellers Forum

„Roma sind keine Nomaden, die freiwillig von Land zu Land ziehen. Sie werden aus ihren Heimatländern regelrecht vertrieben.“ Diese Vorwürfe erhob Rudko Kawczynski, Vorsitzender des European Travellers Forum (ERTF). Bei einer Tagung in Hamburg forderte er: Die EU muss dafür sorgen, dass die Roma-Organisationen vor Ort unterstützt werden und Gelder nicht irgendwo versickern, sondern endlich bei den Roma ankommen.

Hintergrund: Viele der Zuwanderer aus Südosteuropa sind Roma. Sie sind von der Wirtschaftskrise, den Verteilungskämpfen und dem Rassismus in ihren Herkunftsländern besonders betroffen. Schlaglichter: Rumänien sei regelrecht „romafeindlich“: EU-Mittel zur Verbesserung ihrer Situation würden nur zu 0,2 Prozent abgerufen, „weil man ihre Situation nicht verbessern will“. In Mazedonien sei „eine kleine DDR geschaffen worden“, so Kawczynski. So dürften Roma nicht ausreisen, obwohl es Visafreiheit gibt. Wer zurückgeschoben werde, dem werde der Pass abgenommen und er lande womöglich noch im Gefängnis.

„In der Slowakei werden Kinder zwangsadoptiert, man nennt es nur nicht so. Sie werden in ein Internat geschickt zur Gehirnwäsche und zur Umerziehung“, sagte er. Es gebe in den ehemaligen Ostblock-Staaten Tendenzen zur ethnischen Säuberung: „In Tschechien werden Roma einfach umgesiedelt, und Kosovo ist bis auf kleine Enklaven jetzt romafrei.“

Das ERTF befürchtet, dass in den kommenden Jahren mehr als ein Drittel der Romabevölkerung in Europa aus seinen Herkunftsländern vertrieben wird. Hier „im Westen“ seien sie auch nicht willkommen. „Entweder sie betteln oder sie arbeiten unter schlimmsten Bedingungen und zu Dumpinglöhnen.“ Auch die EU müsse ihre Politik ändern. Bislang, so der Vorwurf Kawczynskis, würden die Gelder irgendwo versickern, aber nicht bei den Roma ankommen. Interessant, so Kawczynski: „Aus Spanien oder Griechenland fliehen nur wenige Roma.“ Dort gebe es starke Roma-Vertretungen, die für ihre Rechte eintreten. Das Treffen des ERTF wurde absichtlich in eine westliche Kommune gelegt. „Die Kosten für die Flüchtlinge und Migranten belasten die Kommunen schwer“, so Kawczynski. „Sie müssten deshalb ein Interesse daran haben, die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern.“

Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk