Gleich neun Ex-Beschäftigte einer Reinigungsfirma können sich freuen: Die Firma muss Tausende Euro nachzahlen. Die Kläger hatten im Radisson Blu geputzt – und waren mit Hungerlöhnen abgespeist worden.
Neun ehemalige Beschäftigte der Erdmann Dienstleistungs-GmbH können sich freuen: Die Hotelreinigungsfirma akzeptierte in Vergleichen Lohnforderungen, die je nach Fall zwischen 1661,15 und 3400 Euro liegen. Damit erhalten die Kläger zwischen 75 und 90 Prozent der Geldsumme, die ihre Rechtsanwältin Viktoria Müller für sie gefordert hat. „Für meine Klienten ist das viel Geld“, sagte die Anwältin am Montag nach Verhandlungsende im Hamburger Arbeitsgericht.
Insgesamt haben 23 Betroffene gegen Erdmann geklagt. Eine Klage führte bereits Anfang März zu einem Vergleich, hier erklärte sich Erdmann zur Nachzahlung von 1350 Euro bereit. Die Chancen der restlichen Kläger, das ihnen zustehende Geld doch noch zu bekommen, stehen gut: „Wir sind bemüht, alle Verfahren vergleichsweise zu lösen“, schrieb der Anwalt von Erdmann, Dr. Heiko Granzin, auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. Die Firma habe ihn gebeten, „den Kläger/Innen sehr weit entgegenzukommen“.
Gut 30 Menschen waren im Juni 2012 von einer Personalvermittlerin in Polen angeworben und zur Erdmann Dienstleistungs-GmbH geschickt worden. Für diese putzten sie zwischen Juni und September Zimmer im Luxushotel Radisson Blu, oft zehn Stunden am Tag. Statt des gesetzlich vorgeschriebenen Branchen-Mindestlohns von 8,82 Euro (seit Januar: 9 Euro) die Stunde erhielten sie kaum Geld von Erdmann – auch weil ihr Lohn nach der Zahl der Zimmer berechnet wurde, die sie gereinigt hatten. Zudem zog die Firma ihnen für einen Schlafplatz im Mehrbettzimmer bis zu 250 Euro monatlich vom Gehalt ab. So kamen sie trotz Vollzeitjob nur auf 400 bis 650 Euro im Monat, wie Hinz&Kunzt erstmals im November berichtete.
Als den Betroffenen das Geld ausging, suchten sie Hilfe bei der Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit und reichten Klagen ein. Insgesamt geht es um Lohnforderungen in Höhe von geschätzt 40.000 Euro. Zudem ermittelt weiterhin die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen die Erdmann Dienstleistungs GmbH. Der Verdacht: Die Verantwortlichen sollen auch dort Mitarbeitern den gesetzlichen Mindestlohn nicht bezahlt und außerdem Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen haben.
Das Radisson Blu hat den Vertrag mit Erdmann zum 31. März gekündigt. „Wir möchten erwähnen, dass wir uns ohne Schuldvorwürfe trennen“, erklärte Hotelmanager Oliver Staas auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. „Nichtsdestotrotz haben wir uns dafür entschieden, einen klaren Strich zu ziehen.“ Die Reinigungsfirma, die künftig die Zimmer reinige, habe „keinen Zimmerakkord festgeschrieben, soweit ich weiß“, so der Hoteldirektor.
Unklar ist, in welchen Hamburger Hotels Erdmann noch tätig ist. Der Anwalt der Reinigungsfirma erklärte dazu, seine Mandantschaft habe „kein Interesse an einer sie betreffenden Berichterstattung“. Er versicherte jedoch, Erdmann-Mitarbeiter würden „ausschließlich auf Basis des Tarifvertrages“ bezahlt.
Hinz&Kunzt hat immer wieder über Hotelreinigungsfirmen berichtet, die ihre Mitarbeiter mit Dumpinglöhnen abspeisen, zuletzt vor wenigen Wochen unter dem Titel „Erneut Klagen gegen Reinigungsfirma„. Die betroffenen Hotels erklären immer, sie würden ihre Dienstleister vertraglich dazu verpflichten, den Branchen-Mindestlohn zu bezahlen. Die Ausbeutung verhindern sie damit nicht.
Text: Ulrich Jonas
Foto: Mauricio Bustamante