Lohndumping und miese Arbeitsbedingungen in Bangladesch und Deutschland: Die Skandale um KiK rissen nicht mehr ab. Seit Sommer 2010 soll Dr. Michael Arretz das Image des Konzerns aufpolieren.
(aus Hinz&Kunzt 219/Mai 2011)
Vor knapp einem Jahr wurde Michael Arretz in die Geschäftsführung von KiK geholt – zur Schadensbegrenzung nach einer Reihe von Skandalen. Schon seit Jahren hatte der Textilkonzern mit Arretz zusammengearbeitet. Er war vorher Geschäftsführer der Beraterfirma Systain, einem Tochterunternehmen von Otto. Systain berät auch KiK beim Aufbau eines systematischen Umwelt- und Sozialmanagements. Von Michael Arretz wollten wir jetzt wissen, was sich mit ihm verändert hat.
Hinz&Kunzt: Bei unseren letzten Recherchen lag der Monatslohn einer Näherin in Bangladesch bei umgerechnet 25 Euro. Bei ihren Streiks forderten die Näherinnen einen existenzsichernden Lohn von umgerechnet 50 Euro. Manche Organisationen fanden in Anbetracht der Lebenshaltungskosten sogar 90 Euro angemessen. Wie hoch ist der Monatslohn heute?
Michael Arretz: Der Mindestlohn für Textilarbeiter in Bangladesch wurde im November 2010 von knapp 1700 Taka pro Monat auf 3000 Taka (circa 33 Euro) angehoben, also fast verdoppelt.
H&K: Finden Sie diese Summe ausreichend?
Arretz: In Bangladesch hat ein Gremium aus Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften die Höhe der Löhne festgelegt. Damit ist zumindest ein Anfang gemacht, und ich kann nur betonen, dass wir diese Erhöhung begrüßen und uns für seine Durchsetzung stark machen.
H&K: Offiziell hatten die Näherinnen eine Sechs-Tage-Woche von 60 Stunden inklusive Überstunden. Aber oft wurde das nicht ein-gehalten, und die Überstunden nicht bezahlt. Wie ist das heute?
Arretz: Eine Näherin darf 48 Stunden in der Woche arbeiten. Darin enthalten ist eine Stunde Pause pro Tag. Die Überstunden müssen zum doppelten Stundensatz bezahlt werden und sind begrenzt auf zwei Stunden pro Tag.
H&K: Wie hoch ist der Stundenlohn bei KiK in Deutschland bei einer Angestellten und bei einer Aushilfe? Damals lag er zwischen 4,50 und 6,50 Euro. Einige Frauen hatten gegen den Konzern geklagt und Recht bekommen.
Arretz: Wir haben im Oktober 2010 das tariflich orientierte Basisentgelt in Höhe von mindestens 7,50 Euro für alle Mitarbeiter eingeführt. Das ist ein festgelegter Mindeststundensatz, der für jegliche Arbeitsmodelle bei KiK gilt.
H&K: Damals mussten die Mitarbeiterinnen oft alleine in einer Filiale arbeiten und meist alles selbst machen: Lager, Verkauf und Müllentsorgung. Außerdem wurden zum Teil die Überstunden nicht bezahlt und durften nicht abgebummelt werden. Hat sich das inzwischen verändert?
Arretz: Dass in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle die Discountprinzipien sehr strikt ausgeführt wurden, will ich gar nicht in Abrede stellen. Daran haben wir intensiv gearbeitet und vieles verbessert. Aber diese Vorstellungen eines KiK-Filialalltages sind komplett überzogen und definitiv falsch. In jeder Filiale arbeiten mindestens zwei Mitarbeiter. Überstunden werden selbstverständlich mit entsprechenden Freizeittagen bei unseren Festkräften ausgeglichen, bei Teilzeitkräften oder geringfügig Beschäftigen werden sie vergütet. Des Weiteren gibt es viele attraktive Zusatzleistungen wie Prämiensysteme, eine betriebliche Altersvorsorge und Weihnachts- oder Urlaubsgeld.
H&K: Gibt es inzwischen neue Betriebsräte?
Arretz: Wir versprechen uns vom Beitritt zum Handelsverband des Deutschen Einzelhandels weitere Einblicke in den Umgang mit Mitarbeitervertretungen.
H&K: Also nicht. Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Arretz: Die öffentliche Darstellung des Unternehmens ist meilenweit von dem entfernt, was hinter den Kulissen passiert. Eines meiner Ziele: Ich möchte KiK als Unternehmen transparent gestalten. Wir werden noch in diesem Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, der auch diese Themen mit Zahlen, Daten und Fakten untermauert.
H&K: Die Verbesserungen in Bangladesch gehen teilweise mit Verschlechterungen einher: Khorshed Alam von der „Alternative Movement for Resources and Freedom Society“ aus Bangladesch, einer anerkannten Menschenrechtsorganisation, hat mit 20 Näherinnen, die für KiK produzieren, gesprochen: Zwar gebe es in den meisten Fabriken Lohnerhöhungen, so Alam, dafür seien aber das Soll pro Stunde heraufgesetzt und bezahlte Überstunden reduziert worden. Die Probezeit sei von drei auf sechs Monate heraufgesetzt worden. Es dauere länger, bis Näherinnen befördert werden und somit dauere es länger, bis sie mehr verdienen. Viele Mitarbeiter seien sogar heruntergestuft worden.
Arretz: Versuche seitens der Lieferanten, gesetzliche Bestimmungen zu unterlaufen, gibt es immer wieder – aber selbstverständlich nicht nur bei KiK. Insofern hat Herr Alam, der uns übrigens aus Expertenrunden in Bangladesch gut bekannt ist und dessen Expertise wir sehr schätzen, mit einigen seiner Beobachtungen leider Recht. Die Behauptung, dass es jedoch überhaupt keine Arbeitsverbesserungen vor Ort gäbe, ist so pauschal aber nicht haltbar. Es gibt gute und zuverlässige Lieferanten. Und die Lieferanten, bei denen noch Nachbesserungsbedarf besteht, durchlaufen unsere Qualifizierungsprogramme. Diese sind wichtig für einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess.
H&K: Worauf können diese KiK-Näherinnen konkret hoffen?
Arretz: Wir akzeptieren keine Tricksereien und bestehen darauf, dass gültiges Recht eingehalten wird.
Interview: Birgit Müller
Lesen Sie dazu nochmal: Qualität kommt von Quälen (aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010) und Die KiK-Story, Teil zwei noch schlimmer als der erste (aus Hinz&Kunzt 211/September 2010)