Mehr als 200 Menschen protestierten in Wilhelmsburg gegen die Zwangsräumung von Heiko G. Die Polizei räumte schließlich das Treppenhaus, damit der Gerichtsvollzieher den Räumungsbescheid überreichen konnte.
Dem Nieselregen zum Trotz versammelten sich am Montag mehr als 200 Nachbarn und Unterstützer im Reiherstiegviertel vor einem Mietshaus im Otterhaken 10. Der Zusammenschluss „Wilhelmsburg solidarisch“ hatte zur Blockade einer Zwangsräumung aufgerufen.
Seit mehr als 15 Jahren wohnte Heiko G. in dem Haus der Genossenschaft Bauverein Reiherstieg. Es sei bereits der dritte Räumungstitel gewesen, der gegen den Mieter nach Angaben des Bauvereins ausgesprochen wurde. Statt seine Verbindlichkeiten auszugleichen, weise sein „Mietkonto einen erheblichen vierstelligen Saldo aus, es handelt sich zudem noch um einen desolaten Zustand der Wohnung – verursacht durch den Mieter“, so der Bauverein.
Verspätete Mieteingänge sind nach Ansicht seiner Unterstützer allerdings nicht der Grund für die Räumung. Die Mietschulden seien inzwischen beglichen. Vielmehr habe sich G. erfolgreich gegen Mieterhöhungen gewehrt und sei deswegen dem Vermieter ein Dorn im Auge. Der Vorstand des Bauvereins war für eine weitere Stellungnahme nicht zu erreichen, da die Geschäftsstelle am Nachmittag „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen wurde.
Begonnen hatte der Protest in den frühen Morgenstunden. Erste Unterstützer trafen ein, um sich im Treppenhaus niederzulassen. In den folgenden Stunden wuchs der Kreis der Unterstützer im und vor dem Gebäude auf mehr als 200 Menschen an. Um 11.30 Uhr erschien der Gerichtsvollzieher pünktlich zur angesetzten Räumung. Alle Zugänge in das Gebäude waren allerdings von Unterstützern blockiert. Die Polizei bahnte dem Gerichtsvollzieher schließlich über den Hintereingang den Weg ins Gebäude. 48 Menschen im Treppenhaus erteilte die Polizei einen Platzverweis.
Nachdem der Gerichtsvollzieher den Räumungsbescheid zugestellt hatte, trug Heiko G. die verbliebenen Möbel aus dem Haus und bedankte sich bei seinen Unterstützern. „Ich weiß noch nicht, wie es jetzt weitergeht“, sagte er gegenüber Hinz&Kunzt. Dank eines Bekannten kann er in dessen Wohnung vorerst ein Zimmer zur Zwischenmiete beziehen. „Wir haben nicht verhindern können, dass unser Nachbar Heiko aus dem Viertel vertrieben wurde“, sagt Hanna Diercks von „Wilhelmsburg solidarisch“. „Aber es macht Mut, dass so viele unterschiedliche Menschen sich gemeinsam der Räumung entgegengestellt haben.“
Mit einer etwas eigenwilligen Argumentation rechtfertigt hingegen der Bauverein Reiherstieg die Zwangsräumung: „Zur Wohnungsnot tragen wir mit dieser Maßnahme nicht bei, da zum einen 300 Mitglieder derzeit auf eine Wohnung beim Bauverein warten, zum anderen die Mietpreispolitik der Genossenschaft eine moderate ist und allen Bevölkerungsschichten die Gelegenheit gibt, eine Wohnung bei uns anzumieten.“
Ob der Protest für die Unterstützer noch Konsequenzen hat, ist offen. Bislang läge keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch durch den Bauverein vor, heißt es aus der Pressestelle der Polizei.
Text: Jonas Füllner
Foto: Jonas Walzberg