Sieben Monate nach Inkrafttreten ist der Hamburger Mindestlohn nicht für alle, für die er gelten soll, gesichert. In 115 Fällen haben Dienstleister nicht erklärt, dass sie 8,50 Euro oder mehr die Stunde bezahlen. Die Linksfraktion fordert mehr Engagement von der Verwaltung, der Senat wiegelt ab.
In 115 Fällen haben Dienstleister von Behörden und Bezirken bislang nicht erklärt, dass sie ihren Mitarbeitern gegenwärtig mindestens 8,50 Euro die Stunde bezahlen. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Bürgerschaftsanfrage der Linksfraktion hervor (Drucksache 20/10166). Eigentlich steht der Landesmindestlohn seit Juni des vergangenen Jahres Angestellten der Stadt Hamburg und von Unternehmen, die von der Stadt öffentliche Aufträge bekommen, zu. Da die Aufträge aber vor Inkrafttreten des Mindestlohn-Gesetzes vergeben wurden, sind die Dienstleister in diesen Fällen nicht dazu verpflichtet, sich an die Regelung zu halten. Jedoch kann die Stadt auf sie einwirken, etwa wenn Folgeaufträge verhandelt werden oder in Aussicht stehen.
Wie aus einer Auflistung im Anhang der Senatsantwort hervorgeht, wird in 41 der 115 Fälle dieses Jahr ein neuer Vertrag geschlossen, der die Zahlung des Hamburger Mindestlohns sicherstellen soll. In den restlichen Fällen laufen Verhandlungen oder es sind bald neue Ausschreibungen geplant. Wie die Sozialbehörde auf Nachfrage von Hinz&Kunzt mitteilte, hat die Stadt bislang in keinem Fall einen Vertrag gekündigt, weil ein Dienstleister den Hamburger Mindestlohn nicht zahlt und auch künftig nicht zahlen will.
Mindestens 35 Hinweise auf etwaige Lohnunterschreitungen hat die Sozialbehörde schon bekommen
Die Sozialbehörde hat auf ihrer Internetseite eine E-Mail-Adresse veröffentlicht, um Hinweise auf etwaige Unterschreitungen des Landesmindestlohns zu erhalten. Bis 18. Dezember 2013 seien dort 35 Nachrichten eingegangen, so der Senat. Wie die Sozialbehörde auf Nachfrage mitteilte, waren darunter „22 Anfragen mit einem Arbeitgeberbezug, teilweise jedoch ohne konkrete Benennung des Arbeitgebers“. In fünf Fällen sei der Arbeitgeber nicht zur Zahlung des Hamburger Mindestlohns verpflichtet. In zehn Fällen haben Arbeitgeber sich schriftlich gegenüber der Stadt verpflichtet, im Falle eines neuen Auftrags künftig den Hamburger Mindestlohn zu zahlen. In sieben Fällen laufen Verhandlungen, „die in drei Fällen zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossen werden konnten“. Auch in den übrigen Fällen gehe die Stadt davon aus, „dass eine einvernehmliche Vertragsanpassung noch möglich ist“, so die Sozialbehörde.
„Das Mindestlohn-Gesetz muss endlich vollständig umgesetzt werden. Gegebenenfalls muss die Stadt mehr bezahlen“, fordert Tim Golke von der Partei Die Linke. Seine Fraktion hatte bereits im April vergangenen Jahres ein „Sofortprogramm Mindestlohn“ gefordert. In dessen Rahmen sollte die Stadt ihren Dienstleistern anbieten, „die Kosten für eine notwendige Gehaltserhöhung inklusive eines angemessenen Beitrags für Arbeitgeberanteile zu übernehmen“. Den entsprechenden Bürgerschaftsantrag hatten die regierende SPD sowie die FDP abgelehnt, Grüne und CDU hatten sich enthalten. Der Senat sieht weiterhin keinen Handlungsbedarf: Behörden und Ämter setzten sich „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für eine Änderung der Vergütung noch vor Ende der Vertragslaufzeit ein“, heißt es in der Senatsantwort auf die Bürgerschaftsanfrage.
Ob das ausreicht, ist fraglich. In Bremen wacht – anders als in Hamburg – eine Sonderkommission über die Einhaltung des dortigen Landesmindestlohns. Ihre Zwischenbilanz nach zwei Jahren: In jedem sechsten geprüften Fall gab es Hinweise auf Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Dass der Hamburger Senat dergleichen nicht zu berichten hat, wundert Tim Golke von der Linkspartei nicht: „Wer keine Kontrollinstrumente einbaut, wird auch keine Probleme finden.“
Text: Ulrich Jonas
Fotos: bildarchiv-hamburg.de, Andreas Hermsdorf/pixelio.de
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