Ab Donnerstag neu im Kino: „Boyhood“. Unser Kinokolumnist Andreas Schmidt empfiehlt den Film, weil die Geschichte des Jungen Mason so ist wie die Kindheit nunmal ist: unspektakulär und abwechslungsreich. Und weil man auf wunderbare, sentimentale Weise berührt wird.
Zwölf Jahre sind für einen Erwachsenen oft nicht mehr als ein Furz im Wind. Klar, mehr Falten, andere Lieblingsserien im Fernsehen und vielleicht eine neue Liebe. Und doch – vor zwölf Jahren war man auch kein anderer Mensch. In der Kindheit sind zwölf Jahre etwa das, was für Columbus die Westroute nach Indien war. Irgendwann ist klar: Erwachsensein ist super. Da will man möglichst schnell hin.
Ohne sich darum zu scheren, was am Ende der Reise auf einen wartet. Das Einzigartige ist, dass dieser Wunsch für die meisten Kinder tatsächlich erst mit Beginn der Schulzeit kommt. Erst dann dämmert ihnen, dass sie nicht immer klein bleiben. Wär ja auch doof, das ganze Leben nach „Wissen macht Ah“ ins Bett zu gehen. Und darüber hat Richard Linklater einen ganz wunderbaren Film gedreht: „Boyhood“. Zwölf Jahre im Leben eines Kindes. Von sechs bis 18 Jahre, von der Einschulung bis zum College begleitete er seinen Protagonisten Ellar Coltrane auf dem Weg durch Penne, Pornoheftchen und Pubertät. Und weil der Film keine Dokusoap ist, schrieb Linklater dem Jungen eine Geschichte auf den Leib, die so auch das Leben schreiben könnte.
Ellar spielt nicht sich selbst, sein Alter Ego heißt Mason und ist als Scheidungskind hin- und hergerissen zwischen seinen Eltern und genervt von den Männerbekanntschaften seiner Mutter. Das klingt gewöhnlich und ist dennoch nie banal. Denn ein großartiger Film benötigt gar keine großartige Geschichte. Mason ist kein Forrest Gump, der Kontinente durchlaufen muss, um ein Held zu werden. Mason ist einer von uns. Seine Geschichte unspektakulär und abwechslungsreich – wie die Kindheit nun mal ist. Eben das ist der Reiz des Films, der in 39 Tagen abgedreht wurde. Man wächst hinein und fühlt sich auf wunderbare, sentimentale Weise berührt. „Leichtfüßig“, „grandios“, „kostbar“ schrieben die Kritiker. Doch die schreiben viel, wenn der Tag lang ist. Am besten, Sie finden es selbst heraus. ASCHMI
Boyhood, neu im Kino ab Do, 5.6.