So schön kann ein Schurke sein: In ihrem neuen Magazin zeigen die Illustratorinnen der Künstlergruppe SPRING ganz neue Seiten von Johann Wolfgang von Goethes Reineke Fuchs. Keine leichte Übung, ein Dutzend Künstlerinnen unter einen Hut zu kriegen.
(aus Hinz&Kunzt 234/August 2012)
Im Kino wäre dieser Fuchs die Idealbesetzung des Schurken: gerissen, durchtrieben und skrupellos. Reineke Fuchs schreckt vor Mord und Vergewaltigung nicht zurück, er lügt, betrügt, stiehlt und zieht seinen schlauen Kopf buchstäblich aus der Schlinge. „Reineke ist eine schillernde Persönlichkeit“, erklärt Illustratorin Carolin Löbbert ihre
Faszination für Johann Wolfgang von Goethes Geschichte um Macht, Gewalt, Schuld, Intrigen und Ungerechtigkeit. Gemeinsam mit elf Kolleginnen der Gruppe SPRING hat sie die zwölf Gesänge der Erzählung visuell in verschiedenen Techniken wie Aquarell und Filzstift, Collage und Comic umgesetzt.
Seit 2004 bringen die Frauen ein Mal im Jahr eine Anthologie zu Themen wie „Happy Ending“, „Alter Ego“ oder „Verbrechen“ heraus. „Wir stimmen über das Thema immer ganz basisdemokratisch ab“, sagt Kollegin Stephanie Wunderlich. Auch diesmal gab es viele Ideen, doch Reineke gewann – „und das nur mit vier von zwölf Stimmen“, empört sich Stephanie Wunderlich immer noch. „Die anderen hatten noch weniger“, antwortet Carolin Löbbert – und so landeten sie bei einer Geschichte, die viele von ihnen gar nicht kannten.
Reineke Fuchs ist die erste zusammenhängende Erzählung, die die zwölf gemeinsam bearbeiten und so verschiedene Sichtweisen desselben Charakters zeigen können. Der Einfachheit halber wurde ausgelost, wer welches Kapitel bekam. „Ich war ganz glücklich mit meinem Los, denn ich habe mit dem Zweikampf am Ende des Buches ein sehr actionreiches Kapitel erwischt – das liegt mir“, freut sich Carolin Löbbert. Stephanie Wunderlich hat zu Beginn ein wenig mehr gehadert. „Ich fand den Text doof und antiquiert“, sagt sie. „Ich habe mich dann aber reingefunden.“ Die Darstellung von Tieren stellte sie zudem vor ein ganz neues Problem: „Mit meinen Scherenschnitten kann ich ihre Stimmungen nur über ihre Körperhaltung ausdrücken.“
Für ihre Kollegin Maria Luisa Witte war die Auseinandersetzung mit Reineke Fuchs zuerst einmal die Begegnung mit einer Figur ihrer Kindheit. „Ich kannte nur die Kindergeschichte, da war er mein absoluter Held“, erinnert sie sich. Ihn auch als unsympathischen Charakter zu erleben, fiel ihr schwer, eröffnete ihr aber auch neue Perspektiven. „Ich habe mich dabei mit dem Philosophen Machiavelli und seinen Thesen zur Macht beschäftigt“, erklärt sie.
Eines ist allen Illustratorinnen von SPRING gemeinsam: „Wir wollen nicht gefällig sein“, sagt Stephanie Wunderlich. An der gemeinsamen Arbeit schätzen die drei Hamburger SPRING-Künstlerinnen die studentische Situation. „Wir arbeiten zusammen, sehen, was die anderen machen, und können uns gegenseitig mit konstruktiver Kritik unterstützen.“ Kommuniziert wird zwischen den Mitgliedern in Hamburg und Berlin meist per Mail, für gemeinsame Treffen bleibt wenig Zeit. „Wir haben SPRING als Studentinnen gegründet“, erinnert sich Maria Luisa Witte. Seither habe sich viel im Leben verändert – die meisten SPRING-Frauen haben Familie, Kinder, Jobs: „Da ist man immer unter Zeitdruck.“
Weitermachen wollen sie trotzdem. „Wir haben gerade unseren eigenen Verlag gegründet“, erzählt Stephanie Wunderlich stolz. Wovon sie jetzt noch träumen? „Vielleicht entdeckt uns ja das Goethe-Institut“, sagt sie halb im Scherz. „Dann könnten wir mit Reineke durch die Welt reisen!“
SPRING #9 Reineke F. erscheint am 24. 8., 16 Euro; mit Beiträgen von Ludmilla Bartscht, Romy Blümel, Almuth Ertl, Katharina Gschwendtner, Carolin Löbbert, Sophia Martineck, Nina Pagalies, Katrin Stangl, Anne Vagt, Maria Luisa Witte, Stephanie Wunderlich, Barbara Yelin. Mehr Infos unter www.springmagazin.de