Am 1. November startet das bisher größte städtische Winternotprogramm. Erstmalig soll allerdings zwischen Obdachlosen mit und ohne Rechtsanspruch unterschieden werden.
(aus Hinz&Kunzt 249/November 2013)
Die gute Nachricht: Der Senat startet am 1. November mit 698 Plätzen ins Winternotprogramm, das sind so viele wie noch nie zu Beginn eines Winters. Allerdings: Erstmalig wird zwischen Menschen mit und ohne Rechtsanspruch unterschieden. Menschen „mit Rechtsanspruch“ bekommen einen der 98 Plätze in den Containern bei den Kirchengemeinden, in der Spaldingstraße (insgesamt 230 Plätze) oder im Pik As (70).
Obdachlose ohne Rechtsanspruch, darunter viele EU-Wanderarbeiter, werden nach fünf Tagen von der Spaldingstraße in eine der beiden Schulen vermittelt, die die Behörde angemietet hat. In der Weedestraße (Horn) und in der Hammer Straße (Marienthal) stehen jeweils 150 Plätze zur Verfügung, in großen Schlafsälen. Obdachlose mit Rechtsanspruch schlafen in Zwei- bis Sechsbettzimmern. Kosten für das Programm: 1,3 Millionen Euro. Problematisch wird die Situation von Familien: Kinder sind nämlich in den Unterkünften verboten (Seite 52). Außerdem sollen die Wanderarbeiter zur Rückkehr in ihr Heimatland gedrängt werden. Es ist umstritten, ob sie hier wirklich keinen Rechtsanspruch haben.
1993, als Hinz&Kunzt an den Start ging, hatte das Winternotprogramm um die 300 Plätze, höchstens. Auch damals waren die Zustände schlecht. Hunderte von Obdachlosen schliefen auf der Straße. Darunter viele Menschen aus der ehemaligen DDR, Verlierer der Wiedervereinigung. Später strandeten viele Menschen aus Osteuropa auf der Straße, vor allem seit der EU-Osterweiterung. 2010, gegen Ende der CDU-Grünen-Ära, wurde neben den Containern, neben der Sportallee mit 100 Betten und dem Pik As noch der Bunker am Hauptbahnhof eröffnet. Der Tiefpunkt: Zu kurze Liegen, keine Fenster, Klos, die nur mit einem Vorhang abgetrennt waren. Immerhin: Seit jenem Winter war klar, dass die Stadt nicht mehr die Augen verschließen kann vor den Obdachlosen aus Osteuropa ….
Ob mit Rechtsanspruch oder ohne: Morgens um 9 Uhr müssen alle raus und dürfen erst abends um 17 Uhr wieder in die Unterkunft. Egal wie kalt es ist. Die Wohnungslosenhilfe fordert deshalb seit langem eine zusätzliche Tagesaufenthaltsstätte. Erfrieren kann man nämlich auch tagsüber.
Text: Birgit Müller
Foto: Mauricio Bustamante