Plötzlich und unerwartet ist der Hamburger Armutsforscher Harald Ansen verstorben. Er war gefragter Ratgeber, auch bei Hinz&Kunzt. Den Bezug zur Praxis hat er nie verloren.
Der renommierte Hamburger Armutsforscher Harald Ansen ist tot. Er starb am 15. Juli im Alter von 63 Jahren – plötzlich und unerwartet, wie es aus der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) heißt. Dort war er seit 2003 Professor für Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit. „Von Studierenden und der Fachwelt wurde er für seine immer konstruktive Auseinandersetzung mit sozialen Problemen, seine strukturierten Beiträge und auch für seinen Humor sehr geschätzt“, heißt es aus seinem Kolleg:innenkreis. „Ein überaus achtsamer, wertschätzender Kollege und Freund wird fehlen.“
Ansen wurde 1960 in Landau geboren und hat in den 1980er-Jahren in Lüneburg Sozialpädagogik studiert. Vor seiner wissenschaftlichen Karriere arbeitete er als Sozialarbeiter im Krankenhaussozialdienst und bei der Diakonie. Der Austausch mit Menschen aus der Praxis sei ihm auch als Forscher wichtig, schrieb Ansen 2003 zu seinem Einstand an der HAW: „Durch die Praxisbezüge gelingt es, eine gewisse Bodenhaftung zu erhalten.“
Seine Nähe zur Praxis der Sozialen Arbeit konnte er sich auch als Dozent erhalten, davon zeugt unter anderem seine Unterstützung des Containerdorfs für obdachlose Frauen auf dem Campus der HAW. Aus seinen Vorlesungen sei man mit fundiertem theoretischem Wissen gegangen, erinnert sich Hinz&Kunzt-Sozialarbeiterin Isabel Kohler, die bei Ansen studiert hat. Beliebt sei er auch für die Haltung gewesen, die er gegenüber künftigen Klient:innen vermittelt habe. Ansen war Advokat für Begegnungen auf Augenhöhe. „Harald Ansen hat uns soziale Arbeit mit Mitgefühl beigebracht“, sagt Kohler.
Harald Ansen war jahrelang Ratgeber für Hinz&Kunzt
Ansen war nicht nur an seiner Universität als Experte gefragt, jahrelang saß er im Beirat von Hinz&Kunzt und war wichtiger Impulsgeber für unser Projekt. „Auf ihn konnte man sich immer verlassen, er stand uns oft mit seinem wertvollen Rat zur Seite“, erinnert sich der ehemalige Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter und Wegbegleiter Stephan Karrenbauer. „Er war immer für uns da und war mir auch ein sehr guter Freund.“
In seinem letzten Interview für Hinz&Kunzt sprach Ansen über neue Erkenntnisse über die Vermögensungleichheit in Deutschland. Am Tag seines Todes veröffentlichte der Hamburger Sozialverband auf seiner Homepage das Protokoll eines kurzen Gesprächs mit dem Forscher, das Ende Mai geführt wurde. „Von sozialer Gerechtigkeit sind wir gesellschaftlich weit entfernt“, sagt er da und schlägt vor, wie man das ändern könnte: durch eine „substanzielle Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums“. Alles andere, so Ansen: Flickschusterei! Auch im Sozialverband wird er schmerzlich vermisst, sagt Sprecherin Susanne Rahlf: „Sein Tod ist nicht nur ein großer menschlicher Verlust, sondern auch einer für die Sozial- und Armutsforschung.“