Bei Bonnie und Clyde geht der Alltag im Winternotprogramm weiter – mehr oder weniger ruhig, denn immer wieder gibt es Zoff mit Mitbewohnern in ihrem Paarcontainer. Gute Neuigkeiten gibt es trotzdem: Clyde bekommt nun endlich seine Grundsicherung.
Bonnie und Clyde haben sich mal richtig was gegönnt: einen Ausflug zum Dom. „Das war ein geiler Tag!“, schwärmt Clyde. Sie fuhren Karussell und Achterbahn, Bonnie traute sich sogar auf den Big Spin und machte den freien Fall aus zwölf Metern Höhe mit. „Hat Spaß gemacht! Mir haben zwar hinterher die Hüfte und der Arsch weh getan, aber das war es wert.“
Grund zum Feiern hatten die beiden: Clyde hat endlich seine Grundsicherung. „Er hat fast ein Jahr gebraucht, um die zu beantragen“, sagt Bonnie. Mal waren es die Behörden, die auf sich warten ließen, mal konnte Clyde sich selbst nicht aufraffen und ließ Termine verstreichen. Nun aber ist die Sache durch. Zum ersten Mal seit Monaten haben sie Einkünfte, die nicht vom Zeitungsverkauf abhängen. Für Bonnie und Clyde bedeutet das 408 Euro pro Monat bar auf die Hand. Nicht gerade viel für zwei Leute, aber Bonnie will nachziehen. Erst einmal braucht sie einen neuen Personalausweis, dann will auch sie Grundsicherung beantragen.
Kalter Asphalt
Nachts haben die beiden in ihrem Container an der Münzstraße nach wie vor ein Dach über dem Kopf. Von einem ruhigen Schlafplatz kann wohl dennoch keine Rede sein: Immer wieder kommt es zu Streit im Winternotprogramm. Bonnie und Clyde haben ihren Container nicht für sich, sondern müssen den Platz mit einem anderen Paar teilen. Mit ihren ersten Mitbewohnern lief es anfangs gut. Clyde wurde sich mit dem Containergenossen sogar handelseinig und tauschte ein Bier gegen eine rote neue Kappe.
Streit um Lärm und Licht
Doch schon nach kurzer Zeit gab es Stress: Bonnies und Clydes Radio war den beiden anderen zu laut, die Lampe zu hell, die Luft im Container zu schlecht. Am Ende zogen sie aus, Bonnie und Clyde bekamen neue Mitbewohner zugewiesen – und schon gab es neuen Streit. „Wir hatten uns eine Kabelleiste gegönnt, und da wollten die direkt bei. Genau wie an unseren Wasserkocher. Als ob das alles ihnen gehört“, erklärt Bonnie. Sie habe dem Mann den Weg versperrt und ihn abgewehrt, „da ist er mir gleich an die Gurgel gegangen. Ich bin rausgerannt zur Security und habe gesagt: Entweder ruft ihr die Polizei oder ich mach das.“ Die Security habe die Sache dann weitgehend geklärt, die Freundin des Mannes habe sich dann ohnehin geweigert, weiter mit den beiden in einem Container zu schlafen. „Da haben wir Glück gehabt, dass wir zum zweiten Mal keine Eskalation hatten“, sagt Bonnie.
Die Stimmung ist komisch geworden– Bonnie
Beim Einzug ins Winternotprogramm hatten Clyde und sie die Mitarbeiter und Sicherheitsleute noch mit großem Hallo begrüßt – man kannte sich ja schon aus dem vorherigen Jahr. Doch von der Wiedersehensfreude ist wenig übrig. „Die Stimmung ist komisch geworden“, findet Bonnie. „Letztes Jahr war es ruhiger.“ Von strengeren Regeln gegenüber rumänischen Obdachlosen, Passkontrollen oder gar Rauswürfen hat sie nichts mitbekommen, eher fühlt sie sich selbst zu Unrecht als Störenfried beschuldigt. „Als es Stress gab, haben die mir gesagt: Entweder du bist jetzt ruhig oder du darfst ne Stunde raus.“ Die Maßnahme an sich sei für sie nichts Neues, sagt Bonnie. Auch im vergangenen Jahr seien Clyde und sie schon mal vor die Tür gesetzt worden, auch nachts.
Bonny und Clyde setzen keine Hoffnung in die Beratungsangebote im Winternotprogramm
Tatsächlich kann es vorkommen, dass Mitarbeiter von fördern&wohnen zu solchen Maßnahmen greifen, sagt Sprecherin Susanne Schwendtke. Jedoch nur dann, wenn eine Person sehr aggressiv auftritt und ein klärendes Gespräch nichts bewirkt. Maximal für 30 Minuten müsse die betreffende Person dann raus. Eine Deeskalationsmaßnahme, sagt Schwendtke: „Sie dient auch dazu, Hausverbote zu vermeiden.“ Das Verhältnis zwischen Sicherheitskräften und Nutzern des Winternotprogramms ist aus ihrer Sicht keineswegs angespannter als im vergangenen Winter. Bonnie nimmt das anders wahr. „Man traut sich kaum noch, ne Meldung bei der Security zu machen, weil man befürchten muss, man fliegt selbst raus.“
Auch was die Beratungsangebote im Winternotprogramm betrifft, ist Bonnie sehr skeptisch. „Man kann sich da angeblich auf ne Liste setzen lassen und dann kümmern sie sich darum, dass man ne Wohnung kriegt“, sagt sie. Wirkliche Hilfe verspricht sie sich jedoch nicht davon. „Wir wurden letztes Jahr auch auf ne Liste gesetzt, wir haben aber bis heute nichts gehört.“ Lieber wollen Bonnie und Clyde es bei der Sozialen Beratungsstelle des Diakonischen Werks in St. Georg versuchen – aber erst im Frühjahr. „Im Moment geht es noch so“, sagt Bonnie. „Wenn wir bis April im Winternotprogramm bleiben können und danach bei warmem Wetter wieder auf unsere Platte gehen, sind wir zufrieden.“