Das Areal um das ehemalige Allianz-Hochhaus in der Innenstadt wird eingezäunt. Etwa 30 Obdachlose hatten unter den Vordächern und in der Tiefgarage des leer stehenden Gebäudes in den vergangenen Monaten Schutz vor Wind und Regen gesucht. Sie müssen jetzt weiterziehen. Denn Hilfe wurde ihnen nicht angeboten.
„Ich soll hier weg“, sagt Krzysztof. Um sieben Uhr hätte ihn die Polizei geweckt und zum Verlassen aufgefordert. Viele Monaten verbrachte der Obdachlose unter dem Vordach des Allianz-Hochhauses. Wo er künftig schlafen soll? Der Pole zuckt mit den Schultern. Hilfe habe man ihm keine angeboten. „Vielleicht schlafe ich jetzt einfach auf dem Parkplatz“, sagt er und zeigt mit dem Arm auf die Fläche hinter dem Allianz-Hochhaus.
Das Pik As, die einzige Notunterkunft für Obdachlose, ist seit Monaten überfüllt. Fast nur noch deutsche Obdachlose finden dort, wenn überhaupt, dauerhaft Zuflucht. So wie Uwe. Der Obdachlose machte zusammen mit seinem Hund und Freund Krzysztof am Allianz-Hochhaus-Platte, bis er endlich im November einen Schlafplatz im Pik As erhielt. Krzysztof hingegen hatte keine Chance. Es blieb deswegen auf seiner „Platte“.
Doch Anfang Juli berichtete das Abendblatt, dass sich der Bereich hinter dem Rathaus zur „Kloake im Zentrum“ entwickelt habe und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf das Obdachlosen-Camp. Tatsächlich war der Zustand auf einer der größten Obdachlosen-Platten kaum noch haltbar. Nur ein einziges Dixie-Klo hatte die Hausverwaltung aufstellen lassen. Das Ergebnis: Rund um das Allianz-Hochhaus stank es nach Urin.
Im Bezirk und der Sozialbehörde erkannte man Handlungsbedarf. Doch auf Nachfrage erklärte Sozialbehörden-Sprecher Marcel Schweitzer, dass die Situation am Allianz-Gebäude eine Sache des Ordnungsrechts sei und damit in der Verantwortung des Eigentümers läge. Der Eigentümer ist die Hamburger Quantum Immobilien AG, spezialisiert auf Investment und Projektentwicklung. Und der lässt jetzt einen Zaun errichten. Für eine Stellungnahme zu diesem „Lösungsansatz“ war bei der Quantum-AG niemand zu erreichen.
Schon einmal sorgte ein Zaun in Hamburg für Empörung: 2011 vertrieb der Bezirk Mitte auf diese Art Obdachlose unter der Kersten-Miles-Brücke. „Wohin sollen die Menschen denn ausweichen?“, kritisiert Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Es werden gerade zahlreiche Schlafplätze für Flüchtlinge geschaffen. Es muss doch möglich sein, für Obdachlose mindestens ein Bett bereit zu stellen.“
Stattdessen stehen die Gebäude am Großen Burstah weiterhin leer. Erst ab 2016 soll nach Angaben der Immobilien Zeitung mit dem Bau eines neuen Büroquartiers, ergänzt durch Luxus-Wohnungen und Ladenflächen, begonnen werden. Das Areal umfasst das ehemalige Allianz-Hochhaus und ein zwölfgeschossiges Verwaltungsgebäude der Nordelbischen Kirche. Der Allianz-Versicherungskonzern verlagerte seinen Sitz bereits vor drei Jahren in der City Nord. Die Kirche nutzte ihr Verwaltungsgebäude zuletzt zur Vorbereitung des Evangelischen Kirchentags im Mai 2013.
Mit den Jahren fanden immer mehr Obdachlose unter den Vordächern und in der Einfahrt zur Tiefgarage Zuflucht. Uwe sagt, dass zuletzt etwa 30 Personen rund um die Gebäude nächtigten.
Die Kirche sagt, sie habe „leider vergeblich“ versucht, mit den Obdachlosen Kontakt aufzunehmen. Unter anderem wurden Schilder aufgehängt, doch bitte auf die Umwelt zu achten, sprich: den Müll wegzuräumen. Die Situation vor Ort sei jedoch „schwierig“, sagt Sprecher Remmer Koch.
Probst Johann-Hinrich Claussen hat das Gebäude daraufhin dem städtischen Unterkunftsbetreiber fördern & wohnen angeboten. Erfolglos. Fördern & wohnen begrüßte zwar den Vorschlag, lehnte das Angebot dann aber ab. Eine Unterbringung sei „nicht zulässig“ – im Wesentlichen aus Brandschutzgründen.
Stattdessen hat sich die Kirche nun mit dem Eigentümer geeinigt. Der Zaun wird auch um das Gebäude der Kirche führen. Ist das das richtige Zeichen? „Nichts liegt uns ferner, als mit einem Zaun ein Zeichen zu setzen“, so Claussen, aber diese besondere Situation erfordere eine Veränderung.
Die Veränderung wird bedeuten, dass die Obdachlosen an anderer Stelle in der Stadt ihr Lager aufschlagen. Ob sie dort ebenfalls vor Regen und Wind geschützt sind, ist ungewiss. „Wir dürfen die Augen nicht mehr länger verschließen“, sagt Stephan Karrenbauer. Für die Sozialarbeiter in Hamburg sei die Situation derzeit erdrückend: „Wir können Obdachlosen inzwischen nichts mehr außer einem Schlafsack anbieten.“
Text: Jonas Füllner / Simone Deckner
Fotos: Jonas Füllner