Wenig Lohn, kaum Sicherheit: Sogar öffentliche Unternehmen wie die städtische Saga-GWG wollen mittlerweile auf Leiharbeitnehmer nicht mehr verzichten.
(aus Hinz&Kunzt 210/August 2010)
Ein Jahr lang hatte Petra Döhler Angst, bald wieder arbeitslos zu sein. „Ich habe mich kaum getraut, kritische Fragen zu stellen“, sagt die 53-Jährige. „Man steht ja immer auf dem Schleuderbrett.“ Die Bürokauffrau hat für die städtische Saga-GWG gearbeitet. Ihr Arbeitsvertrag lief aber über „Büro Consult Hamburg“ (BCH), eine 2007 gegründete konzerneigene Leiharbeitsfirma. Er war auf ein Jahr befristet, bezahlt wurde Frau Döhler wie alle 77 BCH-Mitarbeiter nach Zeitarbeitstarif. 11,54 Euro verdiente sie pro Stunde, weit weniger als ihre bei Saga-GWG angestellten Kollegen.
Der Konzern hat 2009 einen Rekordgewinn von 127,4 Millionen Euro erwirtschaftet. Für Peter Bremme von der Gewerkschaft Verdi ist das Vorgehen des Konzerns daher ein Skandal. „Saga-GWG steht wirtschaftlich super da, die BCH-Mitarbeiter leisten reguläre Arbeit“, sagt er. „Es geht nicht an, dass ein öffentliches Unternehmen mit solchen unfairen Methoden Personalkosten drückt.“ Bei Saga-GWG, so Bremme, bedeute Zeitarbeit nichts anderes als Lohndumping.
Saga-GWG weist solche Vorwürfe zurück. Zeitarbeit ermögliche die Flexibilität der Mitarbeiter, die bei 18 Geschäftsstellen eben nötig sei, so Sprecher Carl Mario Spitzmüller. Die Arbeiten, die BCH-Mitarbeiter übernehmen, seien schon vorher von externen Zeitarbeitern geleistet worden. „Günstige Personalkosten und flexible Servicekräfte sind auch im Interesse unserer Mieter“, sagt Spitzmüller. „Und wir sind ein guter Arbeitgeber. Bei einem Drittel der BCH-Angestellten haben wir den Arbeitsvertrag bereits entfristet.“
Trotzdem: Auch mit unbefristetem Vertrag bekommen BCH-Mitarbeiter nur Zeitarbeitslohn. Das ermöglichen geltende gesetzliche Regelungen. Zudem haben Leiharbeiter kaum Kündigungsschutz und meistens eben doch befristete Verträge.
Das System boomt: 625.400 Zeitarbeiter gab es 2009 durchschnittlich in Deutschland, das entspricht rund zwei Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Vor acht Jahren waren es nur halb so viele. SPD-Chef Sigmar Gabriel monierte unlängst in der ARD, Zeitarbeit sei zu einem „Scheunentor zur Zerstörung von Voll-Arbeitsplätzen“ geworden. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) streitet derzeit mit der FDP um die Einführung von Mindestlöhnen für die ganze Branche.
Text: Hanning Voigts