Armut

Alleinerziehende werden alleingelassen

Illustration: Julia Pfaller

Eine Studie zeigt: Viele Alleinerziehende in Hamburg sind arm, obwohl die meisten von ihnen arbeiten.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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43 Prozent der Alleinerziehenden in Hamburg sind arm, obwohl die meisten von ihnen arbeiten – häufig in  Vollzeit. Das zeigt eine Ende Juni erschienene Studie der Bertelsmann Stiftung. Nur in Bremen sind noch mehr Alleinerziehende arm.

„Momentan werden Alleinerziehende alleingelassen“, sagt Antje Funcke, Expertin für Familie und Bildung der Bertelsmann Stiftung und Mitautorin der Studie. „Das Armutsproblem ist bekannt und trotzdem bewegt sich zu wenig.“

Der Hauptgrund für Armut von Alleinerziehenden sind laut Studie fehlende Unterhaltszahlungen. Nur die Hälfte aller alleinerziehenden Familien bekomme regelmäßig und vollständig Unterhalt für die Kinder. Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsverweigerung seien die am häufigsten genannten Gründe. Ein Sprecher der Hamburger Sozialbehörde verweist auf den Unterhaltsvorschuss, den Alleinerziehende erhalten, wenn ein Elternteil nicht zahlt. Im Jahr 2022 bezogen ihn ein Drittel aller Kinder von Alleinerziehenden. Allerdings wird der Vorschuss voll auf Bürgergeld-Leistungen angerechnet. Über 37 Prozent der Alleinerziehenden spüren daher keine Verbesserung.

Knapp 18 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern in Deutschland sind Männer. Sie sind nicht so häufig arm wie Frauen. Alleinerziehende Mütter sind laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit dreimal häufiger auf Bürgergeld angewiesen als Väter. Mütter leisten Studien zufolge mehr Care-Arbeit. Deshalb arbeiteten sie häufig in Teilzeit und haben Jobunterbrechungen, weshalb das Risiko der Altersarmut höher ist. „Wenn die Care-Arbeit von Anfang an geschlechtergerechter verteilt wäre, gäbe es nach einer Trennung kein so hohes Armutsrisiko für Mütter“, sagt Studienautorin Funcke.

Schnell helfen könnte armen Familien die Kindergrundsicherung. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass diese bereits unmittelbar nach ihrer Einführung Kinderarmut bekämpfen würde. Die Bertelsmann Stiftung hält die Kindergrundsicherung ebenfalls für einen wichtigen Schritt. „Aktuell kann ein Kind im Bürgergeld-Bezug oft nicht seinem Wunschhobby nachgehen, die eine Woche Familienurlaub im Jahr ist nicht drin und auch die Wohnsituation ist häufig schlechter“, kritisiert Expertin Funcke. Sie fordert für die Familien aber mehr Geld als bisher vorgesehen. Ob und in welcher Form die Kindergrundsicherung überhaupt kommt, ist angesichts der Unstimmigkeiten in der Ampelkoalition unklar.

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Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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