Die Zahl der Stromsperren in Hamburg bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres bekamen 5835 Haushalte den Strom abgeklemmt. Schuldnerberater fordern bessere Hilfsmöglichkeiten.
9000 bis 10.000 Stromsperren: Mit dieser erschreckenden Bilanz ist auch für dieses Jahr wieder zu rechnen, da die Zahl der Sperren in kalten Monaten erfahrungsgemäß steigt. Warum bekommen so viele Menschen in Hamburg den Strom abgeklemmt? Matthias Butenob von der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg sagt: „Wenn Menschen zu uns in die Notfallsprechstunde kommen, rufen wir beim Stromanbieter genauso als Bittsteller an wie Betroffene, und spezielle Ansprechpartner haben wir auch nicht.“ Nötig sind aus seiner Sicht deshalb neue Verfahrensregeln: „Wenn ein Schuldnerberater sich meldet, müsste es grundsätzlich erst mal ein Moratorium geben. Derzeit bekommen wir von den Stromanbietern oft nur zu hören: ,Sie melden sich viel zu spät!‘“
Verbraucherschützern zufolge hat sich der Strompreis in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt. Hamburgs größter Stromanbieter erklärt dazu: Der Preis setze sich zu fast 80 Prozent aus Steuern, Abgaben und Netzentgelten zusammen, „auf die wir als Vertrieb keinen Einfluss haben, die den Strompreis in den letzten Jahren aber deutlich nach oben getrieben haben“, so Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Ihre Schlussfolgerung: „Ansprechpartner für Fragen der Bezahlbarkeit des Strompreises für wirtschaftlich schwächere Haushalte sind die Sozialbehörden.“
Die Behörde gibt sich ratlos: „Eine pauschale Erklärung für steigende oder sinkende Zahlen an Stromsperren kann es nicht geben, weil die Menschen selbst entscheiden, ob sie die bestehenden Hilfsmöglichkeiten in Anspruch nehmen – oder nicht“, so Sprecher Marcel Schweitzer. Daher gebe es „auch keine pauschale Möglichkeit, Einfluss auf die Zahl der Stromsperren zu nehmen“. Mit Hilfsmöglichkeiten meint der Behördensprecher Schuldnerberatungsstellen, Verbraucherzentrale und Jobcenter, die im Notfall Darlehen gewähren können, um Stromschulden zu bezahlen. Ob die 33 Euro monatlich, die der Regelsatz für Strom vorsieht, angesichts stark gestiegener Preise überhaupt ausreichen können, wollte er nicht kommentieren: „Dies ist eine Bundesangelegenheit.“
Schuldnerberater und Sozialverbände fordern seit Jahren, die staatlichen Hilfen zu erhöhen: „Wenn ich an allen Ecken und Enden zu wenig habe, muss ich irgendwo sparen“, sagt Berater Butenob. Die Linke forderte angesichts der neuen Zahlen erneut Clearingstellen oder die Einrichtung eines Runden Tisches. Ein entsprechender Bürgerschaftsantrag war vor zwei Jahren am Widerstand der anderen Parteien gescheitert. 2016 war 10.948 Hamburger Haushalten der Strom gesperrt worden, vergangenes Jahr waren es 10.043.