Weil in Schleswig-Holstein die Zahl der Wohnungslosen drastisch ansteigt, haben sich unsere Kollegen vom Straßenmagazin HEMPELS eine Gegenstrategie überlegt: Über eine Stiftung wollen sie Wohnungen kaufen, um sie an Wohnungslose zu vermieten.
Immer mehr Schleswig-Holsteiner stehen ohne Wohnung da oder sind vom Verlust ihrer Wohnung betroffen. Für 2014 hatte das Diakonische Werk Schleswig-Holstein bereits von mehr als 10.000 Wohnungslosen und einer doppelt so hohen Dunkelziffer gesprochen. Dass die Zahl massiv ansteigt, belegen auch die Zahlen derjenigen, die sich rat- und hilfesuchend an die Beratungsstellen und Notunterkünfte der Diakonie wenden. Hier wurden im vergangenen Jahr rund 6.500 Rat- und Hilfesuchende gezählt. „Das sind 1.000 mehr als 2014“, sagte Landespastor Heiko Naß in Lübeck. Die Ordnungsämter registrierten weitere 741 Fälle.
Besonders angespannt ist die Lage in den vier kreisfreien Städten. In Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster nahmen im vergangenen Jahr mehr als 4.850 Menschen die diakonischen Beratungsstellen und Notunterkünfte in Anspruch. Aber auch in Mittelzentren wie Heide, Pinneberg und Husum verzeichnete die Diakonie ein deutliches Plus bei den Rat- und Hilfesuchenden. Die Dunkelziffer liege noch viel höher, so die Einschätzung.
Eine wesentliche Ursache ist neben den ganz persönlichen Notlagen der Betroffenen der anhaltend hohe Druck auf dem Markt für bezahlbare Wohnungen. Während immer mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, wächst gleichzeitig die Zahl der Bedürftigen. „Menschen mit Schulden, Schufa-Eintrag oder psychischen Problemen sowie Obdachlose haben da kaum eine Chance“, sagt auch Lutz Regenberg, Vorstandsmitglied von HEMPELS e.V., dem Trägerverein des schleswig-holsteinischen Straßenmagazins HEMPELS.
Der von Landesregierung und Wohnungswirtschaft geplante Bau neuer Wohnungen in Schleswig-Holstein sei daher zu begrüßen. Das Wohnraumförderprogramm 2015 bis 2018, das Sonderprogramm Erleichtertes Bauen und die Sonderabschreibung im Wohnungsneubau seien wichtige Schritte in die richtige Richtung. Allerdings stimme man mit Landespastor Naß überein, dass eine klare Regelung für ein Kontingent an Wohnungen notwendig sei, die allein Wohnungslosen zur Verfügung stünden.
Um zeitnah Abhilfe zu schaffen, plant HEMPELS e.V. noch in diesem Jahr zunächst in Kiel erste Wohnungen zu kaufen oder feste mobile Wohneinheiten zu schaffen. „Diese sollen dann an Wohnungslose vermietet werden. Bei Bedarf können sie dort auch die Hilfe von Sozialarbeitern in Anspruch nehmen“, so Regenberg. Um das Projekt finanzieren zu können, wurde 2014 unter dem Dach der Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein die gemeinnützige HEMPELS Stiftung gegründet. Sie sammelt Mittel, um entsprechende Immobilien erwerben zu können.
Die Vorwerker Diakonie in Lübeck verfolgt ein ähnliches Konzept. Sie mietet Wohnungen an, die sie an Menschen vermietet, die schon länger in einer Notunterkunft leben. Hinzu kommt eine abgestimmte Betreuung der Betroffenen. Die Risiken für die Wohnungseigentümer wie Mietausfall oder befürchtete Schäden würden durch die Vorwerker Diakonie abgedeckt werden. „Auf diese Weise wollen wir in einem Jahr 50 Wohnungslosen eine Perspektive für normalen Wohnraum bieten“, so Heike Raddatz-Kossak von der Vorwerker Diakonie.
„Angesichts der großen Zahl an Wohnungslosen in Schleswig-Holstein wissen wir, dass wir mit unseren Projekten allein das Problem nicht lösen können“, so Raddatz-Kossak und Regenberg. „Wir wollen damit aber ein klares Signal setzen.“
Text: Hilke Ohrt, HEMPELS