Kurz vor dem Start des Winternotprogramms für Obdachlose kritisieren Hamburgs Wohlfahrtsverbände den Senat. Sie sprechen von einem „sozialpolitischen Drama“ und fordern mehr Wohnungen für Obdachlose.
2000 statt der bislang vereinbarten 1100 Wohnungen jährlich sollte das städtische Wohnungsunternehmen Saga für Obdachlose und andere Menschen in Not zur Verfügung stellen. Das fordert kurz vor dem Start des Winternotprogramms am 1. November die Hamburger Diakonie.
Auch wenn sich das Hilfsprogramm im Bundesvergleich sehen lassen könne: Es sei ein „sozialpolitisches Drama, dass es in Hamburg überhaupt ein Winternotprogramm in dieser Größenordnung geben muss“, sagt Dirk Hauer von der Diakonie Hamburg. 700 zusätzliche Schlafplätze für Obdachlose stellt die Stadt Jahr für Jahr in zwei Großunterkünften zur Verfügung, hinzu kommen 100 Betten in Ein- oder Zweibettcontainern. Trotz mehr als 4000 Beratungsgesprächen mit rund 1450 Menschen konnten nach Angaben der Sozialbehörde vergangenen Winter gerade mal 18 Obdachlose pro Monat aus dem Winternotprogramm vermittelt werden. Allerdings nicht in eine reguläre Wohnung, sondern lediglich in Wohnunterkünfte, Hostels oder Pflegeeinrichtungen. Die meisten Nutzer:innen müssen spätestens im Frühjahr wieder zurück auf die Straße.
„Eigentlich müssten sich alle Bemühungen darauf konzentrieren, Wohnraum zur Verfügung zu stellen“, sagt deswegen Diakonie-Experte Hauer und fordert: „Jede Wohnung, die zum Beispiel die Saga als öffentliches Unternehmen für wohnungslose Menschen zur Verfügung stellt, hilft, weitere Plätze in den Nothilfesystemen einzusparen. Das gibt den Menschen eine Perspektive und rechnet sich am Ende auch wirtschaftlich.“ Zuletzt zahlte die Stadt rund sechs Millionen Euro für die 700 Notschlafplätze im Winter.
Das städtische Wohnungsunternehmen Saga dazu verpflichten, mehr Neuvermietungen Menschen in Wohnungsnot anzubieten, wäre eine politische Entscheidung des Senats. Ein Unternehmenssprecher stellt klar, dass man die bereits geltende Verpflichtung zur Vergabe von Wohnungen an Bedürftige „regelmäßig übererfüllt“.
Genutzt wurde das Winternotprogramm vergangenen Winter vor allem von Männern, so Klaus Wicher vom Sozialverband Deutschland (SoVD). „Für Frauen, psychisch Kranke oder auch transsexuelle Menschen ist das Angebot an sicheren Übernachtungsmöglichkeiten immer noch zu klein.“ Mit dem neuen Housing-First-Projekt der Rautenberg-Gesellschaft gibt es neuerdings immerhin ein neues Hilfsangebot für psychisch erkrankte Obdachlose. „Mehr Housing First könnte mehr Betroffenen Struktur und Perspektive geben“, sagt Wicher. „Gerade jüngere Menschen, die schon in der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht waren, laufen verstärkt Gefahr, als junge Erwachsene auf der Straße zu landen. Dies könnte Housing First verhindern.“
Der SoVD sorgt sich außerdem um Obdachlose aus Ost- und Südosteuropa, die nach den Vorgaben der Sozialbehörde nicht einmal ein Bett im Winternotprogramm erhalten, weil sie angeblich eine Bleibe im Heimatland haben. SoVD-Chef Klaus Wicher: „Diese Menschen verelenden zusehends auf der Straße, obwohl Platz in den Unterkünften wäre.“