Wohnkostenlücke beim Bürgergeld :
11.723 Hamburger Haushalte zahlen jetzt schon drauf

Bundesfinanzminister Christian Lindner. Foto: Actionpress/Frederic Kern/Future Image

Finanzminister Lindner will Bürgergeldempfänger:innen nicht mehr die tatsächlichen Mietkosten, sondern eine Pauschale zahlen. Dabei reicht es jetzt schon bei vielen nicht für die Miete.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Der neueste Spar-Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beim Bürgergeld sorgt für Kopfschütteln bei Fachleuten. In der „Wirtschaftswoche“ hatte Lindner vorgeschlagen, Bürgergeldempfänger:innen nicht mehr die tatsächlichen Miet- und Nebenkosten zu erstatten, sondern eine Pauschale zu zahlen. „Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen“, sagte Lindner dem Magazin. Für den Staat sieht er ein Sparpotential von „Milliarden Euro“.

Empörend und skurril findet Lindners Vorschlag Dirk Hauer, Leitung Soziales und Pflege bei der Hamburger Diakonie. „Das zeigt, dass ihn die Lebenswirklichkeiten armer Menschen nicht interessieren“, sagt er im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Einkommensarme Familien würden nicht in zu großen Wohnungen leben, zudem seien gerade bezahlbare kleine Wohnungen Mangelware. „Das darf auch ein Bundesfinanzminister wissen“, sagt Hauer und legt nach: „Von den Menschen zu verlangen, durch Frieren Geld zu sparen, ist zynisch.“ Ähnlich reagierte auch Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: „Wer behauptet, man könne nach Belieben in günstigere Wohnungen ziehen, ist fern der Alltagsrealitäten unterwegs“, schrieb er bei X.

Für 320.000 Haushalte reicht es nicht aus

Gerade erst hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe vor drohenden Zwangsräumungen von Bürgergeldempfänger:innen gewarnt. Denn bereits heute bekommen viele Menschen in Bürgergeldbezug nicht die volle Miete erstattet, weil sie dem Staat nicht „angemessen“ erscheint. In Hamburg gilt für einen Einpersonenhaushalt aktuell eine Bruttokaltmiete von 573 Euro als angemessen – größer als 50 Quadratmeter darf die Wohnung dabei nicht sein.

Trotz Zuschlägen in bestimmten Wohngegenden reicht das für viele nicht: Jeder achte Bürgergeldhaushalt musste im vergangenen Jahr in Hamburg aus dem ohnehin knapp bemessenen Regelsatz draufzahlen, weil sie keine günstigere Wohnung fanden – im Schnitt jeden Monat 92 Euro. Bundesweit waren 2023 etwa 320.000 Haushalte von der sogenannten Wohnkostenlücke betroffen, teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Gruppe Die Linke im Sommer mit.

Lindners Vorschlag hat offenbar derzeit keine Mehrheit in der Bundesregierung. Kanzler Scholz (SPD) habe die „die Äußerung des Finanzministers zur Kenntnis genommen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: „Aber dazu gibt es im Augenblick keine übergeordneten Planungen in der Bundesregierung.“

Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

Weitere Artikel zum Thema