Scheele über Unterkünfte : „Wir müssen die Menschen wegschicken“

Hamburg schafft es kaum, ausreichend Unterkünfte für Flüchtlinge zu bauen. Obdachlose haben inzwischen kaum mehr eine Chance auf ein Dach über dem Kopf . Das hat Sozialsenator Scheele (SPD) in einem Interview eingeräumt.

„Wir sind aus der Not heraus bei diesem Standard und nicht, weil wir den STANDARD ­richtig finden. Wir kriegen  nichts anderes hin zurzeit“, sagte ­Sozialsenator Detlef Scheele.
Im Mai hatte Detlef Scheele schon im Gespräch mit Hinz&Kunzt gesagt: „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand.“

Die Stadt Hamburg ist mit der öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen zunehmend überfordert. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen könne die Sozialbehörde derzeit keine anderen Menschen mehr unterbringen, sagte Sozialsenator Scheele am Freitag in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Wir haben keine Plätze“, so Scheele. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, fest angelehnt.“

Insgesamt benötigt die Stadt in diesem Jahr 4000 neue Unterkunftsplätze, sagte Scheele der Zeitung. Bei 1600 davon hat die Sozialbehörde noch keine Idee, wo sie errichtet werden. Sorge hat der Senator davor, dass die Flüchtlingszahlen noch weiter ansteigen könnten: „Da würden wir finanziell und räumlich vor unglaublichen Problemen stehen.“ Pro neuem Unterkunftsplatz müsse die Sozialbehörde 20.000 Euro investieren. In der kommenden Woche sollen deshalb offenbar neue Mittel bereitgestellt werden. „Der Senat wird sich am Montag damit befassen und viel, viel Geld zur Verfügung stellen“, sagte Staatsrat Jan Pörksen am Freitagnachmittag auf einem Empfang in Bahrenfeld. Scheele selbst sagte, es gehe „um sehr viele Millionen Euro“. 2014 würde die Stadt über 250 Millionen Euro für die Schaffung neuer Unterkünfte ausgeben.

In Zukunft könnten Flüchtlinge wieder auf Schiffen untergebracht werden. Die Hafenbehörde suche für die Sozialbehörde bereits nach Liegeplätzen, so Scheele. „Wir müssen die Schiffe am Ende ja nicht einsetzen, aber wir müssen zumindest jetzt die Planung vorantreiben, um es bei Bedarf schnell tun zu können.“ Ob neue Plätze in Containern oder auf Schiffen geschaffen werden, ist dem Senator egal: „Hauptsache, wie bekommen genügend Plätze.“

Obdachlose sind offenbar vornehmlich die Leidtragenden der angespannten Situation. „Jedes Bett, dass wir in Containern oder Pavillions schaffen, geht an Flüchtlinge“, so Scheele. Die Stadt vertritt entgegen verschiedener Sozialverbände die Auffassung, dass sie zwar zur Unterbringung von Flüchtlingen, nicht aber von Obdachlosen verpflichtet ist. Dabei lebten allein 750 Menschen in Hamburg, die kürzlich ihre Wohnung verloren hätten und zwischenzeitlich eine öffentliche Unterkunft benötigen würden, so Scheele. Lediglich Hochschwangere, Kranke oder Frauen mit Kindern würden in der Not in Hotels untergebracht. Für die anderen sieht es schlecht aus: „Unsere Fachstellen für Wohnungsnotfälle müssen die Menschen zum großen Teil wieder wegschicken.“

„Unhaltbare Zustände“ auch in Harburg?

Scheele bemängelte auch die Zustände in den hastig errichteten Unterkünften. „Deprimierend“ aufgrund der spartanischen Einrichtung nannte er das Containerdorf für Flüchtlinge in Lokstedt: „Das ist alles ganz erbärmlich, gerade wenn dort Kinder wohnen.“

Von „unhaltbaren Zuständen“ sprach auch die Linkspartei – und zwar in der neuen Flüchtlingsaufnahmestelle Harburg. Mehrere Hundert Menschen warten dort demnach jeden Morgen auf einen Termin bei den Sachbearbeitern, viele vergeblich. Teilweise würden wichtige Pass- und Terminsachen wochenlang nicht bearbeitet. „Die Situation ist für alle Beteiligten, sowohl für die Flüchtlinge als auch für das Personal, absolut unzumutbar“, kommentierte die integrationspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Cansu Özdemir. Sie warnte davor, dass die Lage weiter eskalieren könne.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante