Hinz&Künztler Michael (Name geändert) wohnte drei Jahre lang in einer kleinen Wohnung außerhalb Hamburgs. Solange er Arbeitslosengeld II bekam, überweis das Amt die Miete direkt an den Besitzer der Wohnung. Dann fand Michael über eine Zeitarbeitsfirma eine Anstellung, verdiente 900 Euro netto. Er hätte das Geld für die Miete gehabt, doch Michael ist seit mehr als 25 Jahren spielsüchtig. Als er Schwierigkeiten im Job bekam und es mit der erhofften Festanstellung nicht klappte, hatte er einen heftigen Rückfall.
„Statt meine laufenden Kosten zu begleichen, verspielte ich das Geld.“ Einen Monat, dann noch einen. Als eine Mahnung des Vermieters kam, war Michael nicht überrascht, reagierte aber auch nicht. Vielmehr hoffte er, am Spieltisch die ausstehende Miete begleichen zu können. Aus zwei säumigen Monatsmieten wurden drei, dann vier, dann fünf. „Da ist nichts mehr zu retten“, dachte Michael. Etwa einen Monat, bevor der Gerichtsvollzieher ihn und seine Habseligkeiten zwangsweise aus der Wohnung geräumt hätte, packte er seine Sachen. Er schlief bei einem Bekannten, bis er bei einer stationären Therapie unterkam. Seit einigen Monaten schläft er in einer Hamburger Notunterkunft. Hilfeangebote oder gar Besuch von einem Sozialarbeiter bekam Thomas nicht, bevor seine Wohnung geräumt wurde.
Rund 1700 Wohnungen wurden 2008 allein in Hamburg zwangsgeräumt, meist weil die Mieter ihre Miete nicht mehr zahlen können. Zwar gibt es in Hamburg und manchen anderen Städten Fachstellen zur Wohnungssicherung, doch sind diese personell unterbesetzt. Modellprojekte dagegen zeigen, dass konsequente aufsuchende Sozialarbeit hilft und für Vermieter und Gemeinden auf Dauer billiger ist. Deshalb fordern wir, dass erst geräumt werden darf, wenn der Mieter die ihm im persönlichen Gespräch angebotene Kooperation verweigert.
Und das sagen die Politiker zu unserer Forderung:
Dirk Fischer, CDU: Die Verhinderung von Zwangsräumungen ist ein erstrebenswertes Ziel. Neben Hilfsangeboten der Ämter ist die Mitarbeit der Betroffenen hier entscheidend. Im letzten Jahr sind in Hamburg die Stellen für die aufsuchende Sozialarbeit durch die Behörde für Soziales, Gesundheit und Familie aufgestockt worden, um das Kooperationsangebot zu verbessern. Derzeit wird geprüft, ob diese jüngste Aufstockung ausreichend ist oder ob ein weiterer Bedarf in diesem Bereich besteht.
Olaf Scholz, SPD: Ich bin froh, dass es die Fachstellen gibt. Sie sind in der Regel gut mit anderen Einrichtungen rund um die Themen Wohnen und Hilfeleistungen vernetzt. Auch die rechtliche Basis, auf der sie arbeiten, ist gut. Wenn der oder die Betroffene selbst Hilfe bei der Fachstelle sucht oder zum Beispiel der Vermieter für sie rechtzeitig den Kontakt zur Fachstelle herstellt, leisten sie gute Unterstützung. Schwierig ist es dann, wenn die Betroffenen bereits obdachlos sind oder – was häufig der Fall ist – die Betroffenen nicht die Kraft haben, selbst aktiv zu werden. Gerade in diesen Fällen wäre eine Prüfung der Situation vor der Räumung zum Beispiel durch die Fachstelle notwendig. Das geht nicht ohne eine personelle Verstärkung. Und es sollte in jedem Fall das Ziel sein, dass ein Kontakt stattgefunden hat, bevor geräumt wird.
Krista Sager, GAL: Ja, um die aufsuchende Sozialarbeit zu stärken, sind auf Drängen der GAL in den Koalitionsverhandlungen nun die bestehenden Fachstellen zur Wohnungssicherung personell verstärkt worden. Wenn Mieter nicht mehr zahlen, stehen oft vielschichtige Probleme dahinter. Als Schirmherrin des beim Sozialdienst am Klinikum Nord angesiedelten Projekts „Aufsuchende Psychiatrie für Wohnungslose“ ist mir die große Bedeutung der Wohnraumfrage gerade auch in diesen Fällen bewusst. Es ist wichtig, dass in Krisenfällen Ansprechpartner für Mieter und Vermieter zur Verfügung stehen, damit mit einer frühzeitigen Intervention eine weitere Eskalation bis hin zur Zwangsräumung vermieden werden kann.
Jan van Aken, Linke: Ja. Wohnen ist ein Grundrecht, deshalb wollen wir, dass die Räumung von Wohnraum gesetzlich verboten wird, wenn kein zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt wird. Ihren Vorschlag kann ich jedoch auch als ersten Schritt unterstützen. Auch wenn er das Problem nicht nachhaltig löst, so stellt er doch zumindest den notwendigen Minimalschutz für die Betroffenen dar.
Burkhard Müller-Sönksen, FDP: Die FDP ist ebenfalls der Auffassung, dass intensive, konsequente Sozialarbeit der beste Weg ist, damit es gar nicht erst zu einer Räumung kommt. Deshalb muss diese gefördert werden und sowohl personell als auch materiell bestmöglich ausgestattet werden. Die direkte und unmittelbare Hilfe vor Ort ist nicht nur der billigere, sondern auch der menschlichere Weg. Dabei sind insbesondere die Länder und Kommunen gefordert, ihre Hilfsangebote konsequent auszubauen. Hilfe muss also vorbeugend wirken und nicht erst dann, wenn es schon fast zu spät ist. Deshalb fordern wir auch keine Veränderungen im Mietrecht, sondern eine umfassende Sozialarbeit im Vorfeld.
Was die Hamburger Politiker auf unsere anderen Forderungen geantwortet haben, lesen Sie in der aktuellen Hinz&Kunzt. Den Artikel können Sie sich auch auf unserer Homepage herunterladen (hier geht´s zur aktuellen Ausgabe).