Das Winternotprogramm muss ganzjährig geöffnet bleiben! Das fordern wir vom Senat. Bislang gibt es nur in den kalten Wintermonaten Notschlafplätze. Zum Ende des Winternotprogramms setzte die Stadt rund 900 Menschen vor die Tür.
Die Nacht nach dem Orkan „Niklas“ war für viele Wohnungslose in Hamburg die letzte Nacht im Warmen. Bis um 9 Uhr mussten alle Bewohner die Notunterkünfte räumen. „Keine Ahnung, wo ich jetzt hingehe“, sagt einer der Wohnungslosen, der bereits um 7.45 Uhr völlig verloren aus seinem Wohncontainer am Grünen Deich heraus in die Kälte tritt. Timo hingegen ist glücklich. „Ich habe ein möbliertes Zimmer auf dem Kiez gefunden. Klein und ohne Mietvertrag, aber es ist bezahlbar“, sagt der 32-Jährige.
Auch Ewa hat keine Vorstellung, wie es weitergehen könnte. Nach dem sie den Container leer geräumt hat, wärmt sich die wohnungslose Polin bei einem Kaffee in den Verkaufsräumen von Hinz&Kunzt auf. Sie wartet auf ihren Mann, der vor wenigen Tagen immerhin eine Arbeit gefunden hat. Die vergangenen Wochen verbrachten sie im Winternotprogramm am Grünen Deich. „Jetzt sehr kalt, viel nass“, sagt die gebürtige Polin in gebrochenem Deutsch und blickt heraus in den Regen. Eine kleine Miete könnten sie zahlen. „Aber wir finden keine Wohnung.“ Deswegen werden Ewa und ihr Freund heute Nacht wieder ihr Zelt aufschlagen. Irgendwo unter einer Brücke oder in einem Waldstück am Rande der Stadt.
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Weitere InformationenMitarbeiter aus der Wohnungslosenhilfe gehen davon aus, dass inzwischen 2000 Obdachlose in der Hansestadt Platte machen. Offizielle Erhebungen hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Fest steht: Anfang März schliefen weit über 900 Menschen in den Notunterkünften. Ende März verließen viele Wohnungslose vorzeitig die Schlafplätze. Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff verwundert das nicht: „Viele wollen sich frühzeitig geschützte und ruhige Plätze sichern“, sagt Graßhoff.
Und der Stadt gelingt es nicht, den Obdachlosen eine Wohnung oder auch nur einen Unterkunftsplatz anzubieten. Gerade einmal 19 Menschen aus dem Winternotprogramm fanden in den vergangenen fünf Monaten eine eigene Wohnung. Wirklich dramatisch ist der Mangel an öffentlichen Unterkünften. So gibt es zwar weit mehr als 12.000 Plätze in der Öffentlichen Unterbringung. Doch dort ist so gut wie kein Platz mehr frei. Lediglich 23 Menschen konnten aus dem Winternotprogramm in eine Unterkunft vermittelt werden. Für alle andere bleibt nur die Straße.
Dabei gefährdet jeder Tag auf der Straße die Gesundheit. Nicht nur bei Orkan und Sturm. Obdachlose haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von knapp 47 Jahren – und das im reichen Hamburg.
Massenunterkünfte, die im Winternotprogramm die Regel sind, lehnt Hinz&Kunzt normalerweise ab. Diese Art der Unterbringung darf nur eine Notlösung sein. „Vom neuen Senat erwarten wir, dass eine Art Masterplan erstellt wird, damit Obdachlose wieder eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben entwickeln können“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Ansonsten wird die Zahl der Obdachlosen weiter ansteigen.
Pressemitteilung: Hinz&Kunzt fordert ganzjährige Öffnung des Winternotprogramms und Masterplan für Obdachlose
Das Winternotprogramm muss ganzjährig geöffnet bleiben! Kein Mensch soll zurück auf die Straße. Das fordert das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt vom neuen rot-grünen Senat. Ab heute müssen sich 900 Menschen zusätzlich wieder draußen einen Schlafplatz suchen. Experten gehen davon aus, dass inzwischen 2000 Obdachlose in der Hansestadt Platte machen. Seit Jahren gelingt es der Stadt nicht, den Obdachlosen der Stadt eine Wohnung oder auch nur einen Unterkunftsplatz anzubieten. Dabei gefährdet jeder Tag auf der Straße die Gesundheit. Nicht nur bei Orkan und Sturm. Obdachlose haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von knapp 47 Jahren – und das im reichen Hamburg.
Das Winternotprogramm ist eine Massenunterkunft, normalerweise lehnen wir derartige Unterkünfte ab. Deswegen darf diese Art der Unterbringung nur eine vorübergehende Notlösung sein. Der neue Senat muss eine Art Masterplan erstellen, damit Obdachlose wieder eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben entwickeln können. Gelingt dies nicht, müssen wir mit einem weiteren Anstieg von Obdachlosen in Hamburg rechnen. „Wir wollen und dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen auf der Straße schlafen.“
Text: Jonas Füllner
Video: Benjamin Laufer