Hamburgs Unterkünfte für Geflüchtete und Wohnungslose sind fast voll – und jetzt endet auch noch das Winternotprogramm für Obdachlose. Wo sollen sie hin?
Mehr als 600 Obdachlose übernachten kurz vor Ostern im Winternotprogramm – das planmäßig am Dienstag nach den Feiertagen endet. Wer Anspruch auf Sozialleistungen hat, soll von dort in andere Unterkünfte umziehen. So die Idee. Im Gegensatz zur Notschlafstätte haben die Menschen in den Wohnunterkünften mehr Platz und etwas mehr Privatsphäre. Doch die städtischen Einrichtungen für Geflüchtete und Wohnungslose sind spätestens seit dem Krieg gegen die Ukraine randvoll: Mit knapp 48.000 Menschen sind sie derzeit zu 98 Prozent belegt, wegen auslaufender Mietverträge fallen zudem im April 870 Plätze weg. Schon im vergangenen Winter gelang eine Vermittlung aus dem Notprogramm nur in 117 Fällen, in diesem Winter könnten es noch viel weniger sein. Genaue Zahlen liefert die Sozialbehörde in der Regel erst im Frühsommer.
Angesichts der Platznot werden die Behörden nun kreativ. Geflüchtete könnten demnächst in Zelten in Parks und auf Festplätzen untergebracht werden – zur Vermeidung von Obdachlosigkeit, wie es heißt. Sogar die Beschlagnahmung von leerstehenden Wohn- oder Bürogebäuden ist nicht mehr tabu. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf will der Senat in die Bürgerschaft einbringen. Um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden, heißt es darin, könnten ungenutzte Grundstücke oder Gebäude „sichergestellt“ werden. Allerdings nur, um darin „Flüchtlinge oder Asylbegehrende“ unterzubringen – für die Unterbringung von Obdachlosen soll das nicht gelten.
Senat will Leerstand für Unterkünfte beschlagnahmen – aber nicht für Obdachlose
Nur eine „sehr besondere Notsituation“ rechtfertige einen so schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Eigentümer:innen, heißt es dazu aus der Sozialbehörde. Dass Obdachlose auf der Straße schliefen, liege „primär“ aber nicht an mangelnden Plätzen in den Unterkünften, sondern etwa an ihren psychischen Erkrankungen oder ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Gemeinschaftsunterkünften, erklärt Behördensprecher Wolfgang Arnhold gegenüber Hinz&Kunzt. Unterkunftsplätze gebe es ausreichend, beschwichtigt er.
„Wenn Hamburg bis 2030 Obdachlosigkeit wirklich überwinden will, ist es höchste Zeit für entschlossene Maßnahmen!“– Jörn Sturm
Gleichwohl schließt der Behördensprecher nicht aus, dass es „Verzögerungen bei der Bereitstellung“ dieser Plätze geben könne. Im vergangenen Jahr waren am Ende des Winternotprogramms immerhin 84 Menschen mit Rechtsanspruch auf einen Unterkunftsplatz von solchen Verzögerungen betroffen. Wie viele in diesem Jahr auf ihren Platz im Wohnheim warten müssen, will Arnhold nicht sagen – angesichts der angespannten Lage könnten es jedoch noch deutlich mehr sein. Auch, ob die Betroffenen wenigstens wie im Vorjahr bis über das Ende des Winternotprogramms hinaus in der Friesenstraße bleiben können, beantwortet er nicht.
Hoffnung können sich in diesem Jahr pflegebedürftige Bewohner:innen des Winternotprogramms machen: Sie können nach und nach in eine neue Einrichtung in Niendorf umziehen. Wer allerdings keine Ansprüche auf Sozialleistungen hat und für wen die Sozialbehörde ein Leben auf der Straße für zumutbar hält, muss am Dienstag dorthin zurück. Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jörn Sturm hat dafür kein Verständnis: „Die Behörde zeigt ja gerade, dass sie Menschen unterbringen kann, wenn sie wirklich will“, sagt er. Diesen Willen solle sie für alle Menschen auf der Straße aufbringen. „Wenn Hamburg bis 2030 Obdachlosigkeit wirklich überwinden will, ist es höchste Zeit für entschlossene Maßnahmen!“