Anfang November startet das Hamburger Winternotprogramm für Obdachlose – ohne Änderungen am Konzept. Hinz&Kunzt kritisiert, dass der Senat auch das pflegerische Angebot nicht weiter ausbauen will.
Das Hamburger Winternotprogramm für Obdachlose soll am 1. November genauso starten, wie es im März zu Ende gegangen ist – „in unverändertem Umfang und [mit] gleichen Leistungen wie im Vorjahr“, teilte der Senat auf Bürgerschaftsanfrage des CDU-Sozialpolitikers Andreas Grutzeck mit. Folglich werden im kommenden Winter erneut bis zu 700 Menschen ein notdürftiges Obdach in den beiden Großunterkünften in der Hammerbrooker Friesenstraße und der Billbrooker Châu-und-Lân-Straße (ehemals Halskestraße) finden. Jedenfalls nachts, denn jeden Morgen müssen sie – auch nach jahrelanger Kritik an dieser Praxis – die Einrichtungen verlassen.
Auch mehr Pflegepersonal für kranke Menschen soll es im Winternotprogramm nicht geben, weil der Senat die bisherige Betreuung am Standort in der Friesenstraße für ausreichend hält. Mehr Personal hat zuletzt die Linksfraktion in der Bürgerschaft gefordert. „Das Winternotprogramm ist keine Pflegeeinrichtung und muss daher auch nicht diese Standards erfüllen“, sagte die sozialpolitische Sprecherin Olga Fritzsche. „Aber es kann hier doch nicht nur um die ‚Verwahrung‘ der Menschen gehen. Es muss dringend mehr Personal her.“ SPD, Grüne, CDU und AfD lehnten den Antrag ab.
Auch der Senat widerspricht: Ein Pflegedienst sei so lange wie nötig im Haus, die Versorgung damit „bedarfsgerecht“ und ausreichend. Eine Pflegehilfskraft sei „regelmäßig von Montag bis Freitag“ vor Ort und unterstütze Bewohner:innen nötigenfalls bei der Grundpflege. Täglich finde zwei Mal eine Wund- und Medikamentensprechstunde statt, bei Bedarf suche eine Pflegefachkraft die Menschen in ihren Zimmern auf.
Trotz dieses Angebots hat sich im April der Gesundheitszustand eines Hinz&Kunzt-Verkäufers in der Friesenstraße so sehr verschlechtert, dass er zwischenzeitig sogar ins künstliche Koma versetzt werden musste. Das hat offenbar keine Konsequenzen, bemängelt Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jörn Sturm: „Es darf nicht sein, dass Menschen in der Obhut des Staates in dieser Weise vernachlässigt werden. Der Senat müsste alles tun, damit sich so etwas nicht wiederholt – offenbar tut er das nicht.“
Ehemaliges Seniorenheim erst zur Hälfte belegt
Für pflegebedürftige Obdachlose hat die Stadt im Frühjahr ein ehemaliges Seniorenheim in Niendorf umgebaut und Ende April eröffnet. Inzwischen leben dort 61 Menschen, von denen 49 davor in der Unterkunft in der Friesenstraße gelebt hatten. Dort waren zuletzt 84 sogenannte vulnerable Personen untergebracht, die den Sommer über in der Unterkunft bleiben durften.
Die verbleibenden 57 Plätze im ehemaligen Seniorenheim sollen laut Senatsantwort erst in den kommenden Monaten sukzessive belegt werden. CDU-Politiker Grutzeck kritisiert das: „Wieso sind von 118 Plätzen im Garstedter Weg nur 61 belegt, obwohl mit dem Start des Winternotprogramms der Platz in der Friesenstraße benötigt wird?“, fragt er. „Vieles spricht dafür, dass ein im Vergleich zum Vorjahr unverändertes Winternotprogramm die Nachfrage nicht decken wird.“
Anmerkung: Die Halskestraße wurde im Mai umbenannt in Châu-und-Lân-Straße. Der neue Name erinnert an zwei Opfer eines rechtsterroristischen Anschlags im Jahr 1980. Wir haben ihn im Text korrigiert.