Es sind die begehrtesten Unterkünfte im Winternotprogramm: 92 Schlafplätze in Wohncontainern stellen die Kirchengemeinden dieses Jahr zur Verfügung. Die Tagesaufenthaltsstätte (TAS) vergibt sie. Wir waren vor Ort.
Am frühen Morgen um 8 Uhr startet die diesjährige Vergabe der begehrten Wohncontainerplätze. 92 sind es dieses Jahr – und wie immer viel mehr Menschen, die sich darauf bewerben. Für die Vergabe gibt es klare Kriterien. Wer zu viel Alkohol trinkt, zu große psychische Probleme hat oder aggressiv auftritt, bekommt keinen der begehrten Plätze. Im vergangenen Jahr gingen 15 Plätze verloren, weil es Schlägereien und Messerstechereien gegen Betreuer gab. So etwas wird nicht geduldet. Die betroffenen Kirchengemeinden, die sich um die Container und ihre Bewohner kümmerten, wollten deswegen keine Plätze mehr anbieten. Und: Die Obdachlosen müssen auch ausreichend deutsch sprechen, damit sie mit den ehrenamtlichen Betreuern der Kirchen kommunizieren können. Insbesondere viele der Osteuropäer, die sich um einen Platz bewerben, können dies aber nicht. Viele davon werden dann in die Spaldingstraße nahe des Hauptbahnhofs geschickt.
In das Winternotprogramm in der Spaldingstraße wollen viele Obdachlose aber nicht. Hinz&Künztler Silvio erklärt warum: „Du kannst da eigentlich nur aufs Klo gehen, wenn die Putzfrau gerade da war.“ Sonst seien die Toiletten einfach zu dreckig. Und man könne sich nicht einmal etwas zu Essen zubereiten. „Das kannst du vergessen“, sagt der 25-jährige. Vor zwei Jahren hat er schon mal einen Winter in einem Wohncontainer verbracht: „Das war richtig super!“, erinnert sich der Punker. „Du hast da deine Ruhe und die Leute von der Kirche sind super!“ Und während sich in der Spaldingstraße bis zu sechs Menschen ein Zimmer teilen, wohnen in einem Container immer nur zwei Obdachlose.
Manche warten schon seit gestern um 10 Uhr
Deswegen nehmen die Obdachlosen lange Wartezeiten in Kauf, um einen der begehrten Plätze zu bekommen. „Die ersten waren schon gestern um 10 Uhr da“, sagt TAS-Sozialarbeiter Nikolas Borchert. Mittwochabend um 23 Uhr waren es dann schon knapp 40. Sie haben die Nacht vor der TAS in der Bundesstraße verbracht. „Verhältnismäßig ruhig“ sei die Nacht gewesen, sagt Borchert. Aber es gab auch eine Schlägerei, als Dealer bei den Wartenden Drogen verkaufen wollten. Zwei Obdachlose sollen im Krankenhaus liegen. Als die Vergabe der Plätze am Donnerstagmorgen um 8 Uhr beginnt, hatten die Mitarbeiter schon über 70 Wartekärtchen verteilt.
„Eine Brücke ist kein Zuhause“ steht auf dem langen Transparent, das vor der Tür das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot, zu dem auch Hinz&Kunzt gehört, in die Höhe hält. „Die Lage der Obdachlosen und Wohnungslosen in Hamburg spitzt sich weiter zu“, sagt Bettina Reuter vom Aktionsbündnis. „Die Lebensbedingungen in den Notunterkünften sind für viele Obdachlose unerträglich. Bereits im Sommer platzten die Unterkünfte aus allen Nähten. Die Zahl der Menschen auf der Straße ist so groß, dass die Plätze im Winternotprogramm vermutlich bereits in wenigen Tagen aufgestockt werden müssen.“
Die Warteschlange vor der TAS ist bis zum Mittag auf über 100 angewachsen. Wer keinen Containerplatz bekommen hat, kann sein Glück ab 17 Uhr in der Massenunterkunft in der Spaldingstraße versuchen.
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Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg
Text: Benjamin Laufer
Fotos: Mauricio Bustamante