Obwohl der städtische Erfrierungsschutz bundesweit zu den umfangreichsten gehört, gibt es seit Jahren Kritik. In mehreren Anträgen forderten Parlamentarier*innen unter anderem eine Tagesöffnung des Programms.
Auch in der vergangenen Woche mussten die durchschnittlich 541 Obdachlosen, die in einer der beiden Großunterkünfte des städtischen Winternotprogramms übernachteten, jeden Morgen ihren Schlafplatz verlassen. Gleiches galt für die durchschnittlich 40 Menschen, die die Nacht in der sogenannten Wärmestube in der Hinrichsenstraße verbrachten. Dorthin werden Obdachlose geschickt, die von der Sozialbehörde nicht als solche anerkant werden. Etwa weil sie über „Selbsthilfemöglichkeiten“ verfügen würden. Betten gibt es dort im Gegensatz zu den Großunterkünften nicht.
Sozialausschuss lehnt Tagesöffnung ab
Auch in Zukunft bleiben die Unterkünfte tagsüber geschlossen. Im Sozialausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft forderte Die Linke in einem Antrag schon vor zwei Wochen eine ganztägige Öffnung des Winternotprogramms. Die CDU beantragte, dass zumindest Shuttlebusse vom Winternotprogramm direkt Tagesaufenthaltsstätten ansteuern und dass die Stadt mit einer Öffentlichkeitskampagne verstärkt auf die Angebote des Winternotprogramms aufmerksam macht. Sowohl die Tagesöffnung, als auch die Erweiterung des Shuttlebusangebots lehnten die Abgeordneten mehrheitlich ab. Gegen eine Tagesöffnung stimmten neben SPD und Grünen auch die CDU. Gar nicht erst anwesend waren die Abgeordneten von FDP und AfD.
Die Argumente der Sozialbehörde, warum eine dauerhafte Öffnung des Winternotprogramms nicht möglich sei, sind seit Jahren die gleichen. Einerseits müsse tagsüber geputzt werden. Andererseits sei eine Tagesöffnung rechtlich nicht möglich, wenn das Angebot weiterhin für möglichst viele Menschen nutzbar sein soll. Dass diese Argumentation nicht aufrechtzuerhalten ist, hat Hinz&Kunzt schon 2016 in einem Faktencheck gezeigt. In einem Rechtsgutachten kam die Kanzlei Bernzen Sonntag damals zum Schluss: „Die Auffassung, dass durch eine ganztägige Öffnung des Winternotprogramms eine anonyme Nutzung des Programms nicht mehr möglich sei, ist rechtlich nicht begründbar.“
Den CDU-Vorschlag eines verstärkten Hinweisens auf das Winternotprogramm mit Hilfe einer Öffentlichkeitskampagne nahmen die Abgeordneten hingegen einstimmig an. Ohnehin sei die Behörde bereits in Gesprächen mit dem HVV, um eine solche Kampagne umzusetzen, teilten Vertreter*innen der Sozialbehörde mit.
Diskussion in der Bezirksversammlung
Auch in der Bezirksversammlung Mitte wurde über eine Tagesöffnung des Winternotprogramms diskutiert. Im Ausschuss für Sozialraumentwicklung war dort vergangene Woche auch Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer von der Opposition als Experte geladen. Seit Jahren spricht er sich immer wieder für eine ganztägige Öffnung aus. „Die Menschen, die auf der Straße leben, sind teilweise so geschwächt, dass sie ihre eigenen Schmerzen nicht mehr wahrnehmen“, erklärt Karrenbauer: „Deshalb wäre es so wichtig, dass sie sich zumindest in den Wintermonaten, in denen es draußen besonders schlimm ist, erholen können.“ Nichtsdestotrotz stimmten die Bezirkspolitiker*innen mehrheitlich gegen einen Antrag der Linken, die eine Tagesöffnung gefordert hatte. Der Bezirk Altona hatte zuletzt einstimmig für eine dauerhafte Öffnung gestimmt und damit zumindest ein Zeichen in Richtung Senat gesetzt. Über eine ganztägige Öffnung entscheiden kann ohnehin nur die Bürgerschaft – und nicht die Bezirke.
In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch war außerdem die Obdach- und Wohnungslosen Untersuchung aus dem Jahr 2018 Thema. In einem Antrag forderte die CDU Bürgerschaftsfraktion den Senat auf, Konsequenzen aus der Befragung zu ziehen und noch in dieser Legislaturperiode ein Gesamtkonzept mit Maßnahmen vorzulegen. Die Befragung hatte nachgewiesen, dass die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen in Hamburg stark gestiegen ist. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.