Bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt wird es ungemütlich auf Hamburgs Straßen. Trotzdem schickt die Sozialbehörde hunderte Obdachlose aus den Notunterkünften morgens hinaus in die Kälte. Wir haben Marek und Christoph einen Vormittag begleitet.
Gegen neun Uhr tritt Marek aus der Notunterkunft am Baumwall hinaus in den Schneeregen. Er ist müde. Die Nacht war kurz, bereits um sieben Uhr klopfte der Sicherheitsdienst das erste Mal an die Tür, erzählt der 40-Jährige. Das sei wohl notwendig, weil einige Obdachlose sonst nicht rechtzeitig aufstehen. Denn um 9 Uhr schließen die Sicherheitsmitarbeiter die Türen. Bis dahin muss jeder raus. Egal wie kalt es draußen ist.
Marek hat den Sommer im Zelt verbracht. Zusammen mit seinen Freunden Krzysztof, „Papa“ und Michal. Krzysztof und „Papa“ hatten Glück. Sie haben einen Wohncontainer auf einem Kirchengelände in der Nähe der Reeperbahn bekommen. Ein kleiner Raum mit einem Tisch, Kleiderschränken, zwei Betten und einem Fernseher. Alles andere als komfortabel, aber so lässt es sich an kalten Tagen gut aushalten.
Marek und Michal hingegen müssen mit dem städtischen Winternotprogramm Vorzug nehmen. Mit acht fremden Männern teilen sich die beiden Polen ein Zimmer. „Leider auch zwei Junkies“, sagt Marek, „das ist vielleicht anstrengend.“ Und nach den nicht selten unruhigen Nächten müssen die Beiden morgens wieder raus auf die Straße.
Draußen fällt der erste Schnee
Vor dem Eingang zum Winternotprogramm treffen Marek und Michal auf weitere Polen aus der Notunterkunft. Es wird geklönt und geraucht. Marek hat sich einen Kaffee geholt. Michal hingegen startet mit einem Bier in den Tag. „Ich bin Alkoholiker“, sagt der 33-Jährige. „Ist halt so.“
Marek drängt zum Aufbruch. Er will rein ins Warme, weg von seinen Landsleuten. „Manchmal Polen trinken zu viel. Nehmen Drogen“, sagt er in gebrochenem Deutsch. Marek achtet darauf, nicht abzurutschen. Sie wollen nicht „unter der Brücke landen“, hat sein Freund Krzysztof einmal stellvertretend für die Gruppe bei einer vorherigen Begegnung mit Hinz&Kunzt erklärt.
Ins Warme, das bedeutet für Marek und Michal ihre Freunde Krzysztof und „Papa“ im Container besuchen. Zu Fuß stapfen sie die Reeperbahn entlang durch den Schneeregen. Geld für ein Bahnticket haben sie nicht. Auch nicht für einen Imbiss unterwegs. Stattdessen wollen sie später in die Alimaus. Die Tagesaufenthaltsstätte am Nobistor bietet Obdachlosen einen kostenlosen Mittagstisch an. Anschließend wird Hinz&Kunzt verkauft. „Wir müssen ja arbeiten und Geld verdienen“, erklärt Krzysztof als schließlich alle versammelt im Container sich bei einem Kaffee aufwärmen.
Kalter Asphalt
„Ich gehe jetzt zu McDonalds, trinke einen Kaffee und wärme mich auf“, sagt Christoph, der ebenfalls in der Notunterkunft geschlafen hat. Noch vor drei Tagen schlief der Bulgare auf der Straße. „Aber jetzt ist es zu kalt“, sagt der 27-Jährige. Er hat keine Freunde, die ihn an kalten Tagen beherbergen.
„Den ganzen Tag bewegen. Wird sonst kalt“, sagt er. Und so läuft er zwischen McDonalds, Karstadt und einer der Tagesaufenthaltsstätten hin und her. Nirgendwo kann er lange bleiben. Er glaubt, dass er In den Geschäften auffällt, weil er nicht einkauft.
Immer draußen. Immer müde. Das ist richtig scheiße– Christoph
Und die Tagesaufenthaltsstätten wiederum haben eingeschränkte Öffnungszeiten. „Immer draußen. Immer müde. Das ist richtig scheiße“, sagt Christoph.
Er wolle nicht wie ein „typischer Obdachloser“ aussehen, sagt Christoph. Er achtet auf sein Äußeres, duscht jeden Morgen in seiner Notunterkunft und versucht zu arbeiten. Manchmal auch mit Erfolg. Allerdings fast immer schwarz und befristet.
Die Folge: Er hat kein Geld für eine Wohnung. Und ohne Wohnung gibt ihm niemand einen Arbeitsvertrag. Ein Teufelskreis, der viel Kraft kostet.
Schon gegen Mittag wirkt Christoph äußerst erschöpft. Er würde eigentlich nur darauf warten, dass er wieder zurück ins Winternotprogramm kann, sagt er. Noch knapp fünf Stunden. Dann, endlich um 17 Uhr, öffnet die Notunterkunft im Schaarsteinweg erneut ihre Türen.