Klimarettung als Info-Happening ganz privat zu Hause: Das Team vom Hamburger Klimasofa macht das möglich. Kurz bevor das Coronavirus Deutschland erreicht hatte, haben wir eines der neuen Nachhaltigkeits-Events besucht.
Hans’ Stimme kriegt jetzt einen optimistischen Klang. „Knapp 47 Prozent des Netto-Stromverbrauchs in Deutschland wurden 2019 bereits aus erneuerbaren Quellen gedeckt“, sagt er am Ende seines gut halbstündigen Vortrags, der diesen Abend eingeläutet hat. „Und die notwendigen Techniken, eines Tages die gesamte Menschheit klimaneutral mit sauberer Energie versorgen zu können, sind sogar schon heute weitgehend vorhanden. Das ist künftig vor allem eine Frage des politischen Wollens.“ Hans, der mit Nachnamen Schäfers heißt und als „Professor für intelligente Energiesysteme und Energieeffizienz“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg in Bergedorf arbeitet, schaut in die Runde und erntet zustimmendes Nicken. „Bis es aber so weit ist, ist jeder Einzelne gefordert, seinen Teil zur Klimawende beizutragen. Wir alle können was tun.“
Montagabend, eine schöne Altbauwohnung in Eppendorf. Eingeladen in ihre gute Stube hat Anna, etwa 25 ihrer Freund*innen und Bekannten sind gekommen. Heute soll hier einem neuen Projekt Raum gegeben werden, das Klimaschutz im wahrsten Sinne des Wortes zur Privatsache machen will: Herzlich willkommen zum „Klimasofa“! Die Idee: den Zuhörer*innen in familiärem Rahmen Umweltwissen zu vermitteln und ganz konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen, sich und sein eigenes klimabezogenes Handeln zu überprüfen. Strom, Auto, Hausmüll, Urlaub, Banking, Fairtrade – es gibt reichlich Ansatzpunkte, das eigene Mikroklima jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen. Ohne Verbote, dafür mit Spaß am bewussteren Menschsein.
Das Klimasofa ist Silke Quathamers „Baby“. Deshalb ist sie heute schon eine Stunde vor allen anderen bei Anna aufgeschlagen. Sie klebt Infoplakate zum Thema „Klimawandel: Macht ein halbes Grad wirklich einen Unterschied?“ an die Wände und legt Bücher aus, die Titel tragen wie „Dein Weg zur Nachhaltigkeit: 350 praktische Tipps für den Alltag“.
Beruflich arbeitet die 47-Jährige auf einer halben Stelle als Richterin am Familiengericht Hamburg. Sie ist verheiratet mit Tobi, 46, einem Anästhesisten am AK Altona. Das Paar wohnt in Ottensen, hat eine neun- und eine zweijährige Tochter. Deren Geburt wiederum ist ein Einschnitt in Silkes Leben und für ihre Empfindsamkeit gegenüber allem: so viele Krisen und Umweltsünden auf der Welt, so wenig Schutz der Natur. „Ich hatte sehr viele sehr dunkle Gedanken“, gesteht Silke, die bleierne Verantwortung spürt, ihren Kindern nicht nur im familiären Nest eine heile Welt zu bieten. Sie beschließt, „das eigene Leben total umzukrempeln“ und selbst initiativ zu werden. Es ist die Geburtsstunde des Klimasofas.
„Saubere Energie für alle? Das geht!“– Hans Schäfers
Alleine kann sie das natürlich nicht wuppen. Der mächtigste Verbündete werden die „Scientists for Future“ („S4F“ ) – ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, der die „Fridays for Future“-Bewegung mit unleugbaren Fakten des Klimawandels munitioniert und für dieses Engagement mit dem „Bundesnachhaltigkeitspreis 2019“ ausgezeichnet worden ist. Auch Hans Schäfers macht bei den S4F mit – und stellt seine Expertise dem Klimasofa gerne zur Verfügung. Nach seinem faktenstarken Vortrag ist der Ton für den zweiten Teil des Abends gesetzt: Was kann man praktisch tun im eigenen Leben?
Das Klimasofa – nach Corona geht es weiter:
Es bilden sich drei Praxisstationen, jede bekommt einen anderen Schwerpunkt, die Gäste verteilen sich nach persönlicher Interessenlage. Silke leitet den Workshop „Klamotten, Konsum, Klimawandel“, ihre Mitstreiterin Carmen informiert zu „Zero Waste“ – also der Vermeidung von Verpackungsmüll, vor allem Plastik. Silkes Ehemann Tobi wiederum widmet sich dem Thema „Nachhaltiges Banking“, sein vorwiegend männlich besetztes Auditorium zieht sich in Annas Küche zurück. Tobi hat recherchiert, empfiehlt der kleinen Runde fünf Öko-Banking-Unternehmen. Das Küchen-Klimakabinett im Altersspagat zwischen Anfang 20 und Mitte 50 diskutiert lebhaft – wer mag, kann Tobis Info-„Waschzettel“ abfotografieren, zur persönlichen Nachbereitung.
Nach insgesamt gut drei Stunden macht das Klimasofa dann für heute Feierabend, einhellige Meinung: klasse Veranstaltung! Zwei Tage später haben wir alle eine E-Mail von Anna im Posteingang: der Link zum anonymen Feedback-Fragebogen des „Klimasofas“. „Ach übrigens“, fügt Anna noch an, „ich wechsle jetzt meine Bank!“
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