20 Jahre Hinz&Kunzt : Wie alles begann!

In diesem Jahr feiert Hinz&Kunzt sein 20-jähriges Bestehen. Keiner hätte damals gedacht, dass es uns so lange geben würde. Traurig, dass wir nach wie vor nötig sind, aber toll, was wir alles erreicht haben. Das finden auch viele Werbeagenturen. Bis November schenken sie uns jeden Monat einen Glückwunsch (rechte Seite). Und wir schauen jeden Monat ein wenig zurück und erzählen Ihnen, was wir früher veröffentlicht oder erlebt haben.

(aus Hinz&Kunzt 239/Januar 2013)

Mit einer Auflage von 30.000 ging Hinz&Kunzt am 6. November 1993 an den Start. Nach zehn Tagen waren wir ausverkauft.
Mit einer Auflage von 30.000 ging Hinz&Kunzt am 6. November 1993 an den Start. Nach zehn Tagen waren wir ausverkauft.

Begonnen hatte alles mit miesen Gefühlen: „Immer, wenn ich an einem Obdachlosen vorbeikam, hatte ich ein schlechtes Gefühl“, sagt Dr. Stephan Reimers, der Anfang der 1990er- Jahre Landespastor und Chef der Hamburger Diakonie war. „Auch wenn ich jemandem Geld gab, hatte ich nie das Gefühl, ihm wirklich zu helfen.“ Doch dann hörte er von dem Londoner Zeitungsprojekt „The Big Issue“, einem Magazin, das von Journalisten geschrieben und von Wohnungslosen auf der Straße verkauft wird. „Ich wusste sofort: So etwas brauchen wir für Hamburg.“

Ein mieses Gefühl hatten auch Mike, Dieter und einige andere Obdachlose. „Ich habe gesoffen und gezockt und fühlte mich lange wohl in der Rolle desjenigen, den keiner will“, sagte Mike, damals 28. (Lange hat er bei uns im Vertrieb gearbeitet, ist dann auf seine Trauminsel La Palma ausgewandert.) Genauso wie der ehemalige Schmied Dieter, Mitte 50. Sie alle fanden: So geht es nicht weiter – und engagierten sich in der Selbsthilfegruppe „Oase“.

Eines Tages besuchte Stephan Reimers sie alle in der Oase und erzählte ihnen von seiner Idee. „Da kam so ein Doktor oder Pastor und fragte uns, was wir von einer Zeitung halten würden – und dass er uns brauchen würde“, sagte Manfred, zu dem wir heute keinen Kontakt mehr haben. Erst waren er, Dieter und Mike misstrauisch. Aber dann sprang der Funke über. „Wenn wir den Vertrieb selbst übernehmen, ist es okay“, sagte Dieter, der später unser Vertriebschef wurde. Ivo Banek, damals noch bei Radio Hamburg und unser erster Chefredakteur, stieß im Sommer 1993 dazu.

Unter anderen mit im Boot: Betriebswirtschaftlerin Doris Tito, die später unsere Geschäftsführerin wurde, Fotografin Frederika Hoffmann, Conny Schmitz als Grafikerin und Birgit Müller (damals noch Abendblatt). An den letzten Abenden vor Drucklegung der Schock: viele Texte fehlten noch – und wir mussten uns auf den letzten Drücker einen neuen Namen ausdenken. Wir wollten „Jetzt“ heißen, aber so hieß schon das Jugendmagazin der Süddeutschen … Auf so einen bekloppten Namen wie Hinz&Kunzt kommt man nur, wenn man wirklich unter Druck steht. Wir fanden ihn klasse: Hinz und Kunz für jedermann, der uns lesen sollte. Und das „t“, weil wir ja viel mit Kunst und Kultur am Hut haben. Der Stress machte die Aufregung erträglicher. Denn am 6. November gingen wir mit 30.000 Exemplaren an den Start.

Wer würde sich überhaupt für uns interessieren? Natürlich kann eine Zeitung nicht die Welt verändern. Sie kann weder das Wohnungsproblem lösen noch die Einsamkeit beseitigen. „Aber für uns ist es ein Anfang“, sagte einer der Obdachlosen damals. „Die Zeitung bietet die Möglichkeit, einen Weg zu verlassen, auf dem uns die Vergangenheit wie Klebstoff festhält.“ Und das gilt bis heute.

Text: Birgit Müller