Wenn Obdach- und Wohnungslose ins Krankenhaus müssen oder pflegebedürftig werden, trifft sie das härter als andere. Zumal es kaum spezielle Einrichtungen für sie gibt. Über ein passendes Angebot in Hamburg diskutieren Experten am Mittwoch.
Obdachlose leiden anders. Krank oder auf Hilfe angewiesen zu sein oder Pflege zu brauchen, bedeutet für jeden Menschen eine Ausnahmesituation. Obdachlose und wohnungslose Patienten haben es noch schwerer. Wie ein passendes Angebot für wohnungslose Menschen in Hamburg entwickelt werden kann, steht im Mittelpunkt einer Tagung der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung. Zum Auftakt der Tagung „Wer pflegt Herrn K.?“ hält der Berater und Autor Dr. Christoph Lohfert einen Vortrag mit dem Titel „Weil du arm bist, musst du früher sterben: der ohnmächtige Patient.“
Arme Menschen bewältigen Krankenhaus- und Heimaufenthalte schlechter als andere. Das hat Lohfert in den vergangenen 45 Jahren bei seiner Arbeit an und mit den Strukturen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erlebt. Fast genau so lange beschäftigt ihn die Frage, wie die Patienten sich dort fühlen. „Meine Erfahrung ist: Der Patient ist ohnmächtig.“ Das sei unabhängig davon, ob der Patient obdachlos ist oder ein reicher Mann. „Das ist keine Frage einer Zwei-Klassen-Medizin, sondern allgemeiner Rahmenbedingungen.“ Trotzdem: Ein Professor käme als Patient besser zurecht als jemand mit einem niedrigeren sozialen Status.
„Wer über seine Krankheit Bescheid weiß, dem geht es besser“
Wer sein Leben oder einen Teil davon auf der Straße verbringt, ist häufig jünger, wenn er pflegebedürftig wird und von chronischen oder Sucht-Erkrankungen belastet. Obdachlose ambulant oder stationär zu behandeln und zu pflegen ist besonders schwierig – für Ärzte und Pfleger, aber auch für die Patienten selbst. Christoph Lohfert hat Empfehlungen, wie alle Patienten etwas für sich tun können. Wichtig sei, sich über seine Krankheit und die Behandlung zu informieren: „Je weniger Sie wissen, desto ausgelieferter sind sie. Das heißt: Je mehr Sie wissen, desto besser geht es Ihnen.“ Wichtig sei auch bei Krankheit eine Vertrauensperson um sich zu haben: „Niemand sollte im Krankenhaus alleine sein.“
Diese Strategien helfen allen – doch Obdach- und Wohnungslose haben in der Regel nicht die Möglichkeit, sich so vorzubereiten. Viele haben keine Angehörigen oder engen Freunde und keinen Zugang zu Informationsquellen. Hinzu kommen große Berührungsängste mit dem Gesundheitssystem und Ärzten, Scham und eine oft unrealistische Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes. Deswegen, folgert Lohfert, sind „Obdach- und Wohnungslose besonders schutzwürdig.
Text: Beatrice Blank
Fotos: Mauricio Bustamante, Volkmar Otto/Random House
„Wer pflegt Herrn K.? – Pflege von wohnungslosen Menschen im ambulanten und stationären Bereich“, Mi, 20.11.2013, 15.30-19.30 Uhr, Ärztekammer Hamburg, Weidestr. 122 b, Teilnahmegebühr 15 Euro. Anmeldung unter www.hag-gesundheit.de
Dr. Christoph Lohfert referiert im Eingangsvortrag zum Thema „Weil du arm bist, musst du früher sterben: der ohnmächtige Patient“. Zwei Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe aus Münster und Oberschleißheim stellen praktische Beispiele vor. Dr. Frauke Ishorst-Witte, die als Ärztin obdachlose Patienten behandelt, wirft einen kritischen Blick auf die Hamburger Situation.
Die Veranstaltung wendet sich an Akteure aus Medizin, Pflege und Wohnungslosenhilfe und ist eine Kooperationsveranstaltung des AK „Wohnungslosigkeit und Gesundheit“ in der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit der HAG, der Ärztekammer Hamburg und der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V. (HPG).
Christoph Lohferts aktuelles Buch zum Them heißt „Das medizinische Prinzip. Handbuch für ein Krankenhaus der Zukunft“, erschienen Ende September im Knaus Verlag, 19,99 Euro.