In Hamburg ist Leerstand von Wohnungen eigentlich untersagt. Trotzdem stehen Häuser leer. Aus mehreren Gründen gilt für sie das Wohnraumschutzgesetz bislang nicht.
In den Morgenstunden herrscht auf der Reeperbahn noch Ruhe. Vor dem Penny-Markt sitzt eine Gruppe Punker und schnorrt um Geld. Die Wohnungen über dem Geschäft wirken verweist.
Der Eindruck trügt nicht. Mehr als 15 Wohnungen in den Häusern 110-114 und 118 stehen leer. „Gerade aufgrund der Lage wären sie sicherlich für junge Menschen interessant“, sagte Marc Meyer von Mieter helfen Mietern bereits vor einem Jahr gegenüber Hinz&Kunzt. Der Bezirk solle den Eigentümer verpflichten, die Wohnungen Studenten oder Sozialhilfeempfänger anzubieten.
Zwölf Monate später hat sich an der Situation wenig verändert. Gerade einmal zwei Wohnungen wurden nach Hinz&Kunzt-Informationen wieder neu vermietet. Eine Zwangsvermietung sei nicht möglich, heißt es aus dem Bezirk. Es handele sich um Gewerbeflächen. Das Wohnraumschutzgesetz gilt allerdings nur für Wohn- und nicht für Gewerberaum. Nur nach einem früher geltenden Bauplanrecht sei an der Reeperbahn überhaupt Wohnraum genehmigt worden. Heutzutage dürfe der Eigentümer die Wohnungen vermieten, wenn er es möchte. „Möchte er es aber nicht, kann aus wohnraumschutzrechtlicher Sicht nicht mehr eingegriffen werden“, sagt Bezirkspressesprecherin Sorina Weiland gegenüber Hinz&Kunzt.
In Zeiten der Wohnungsnot ist Leerstand unerträglich.– Mieteranwalt Marc Meyer
„Die Rechtsauffassung des Bezirks scheint zutreffend zu sein“, sagt Mieteranwalt Meyer. Weil die Häuser in der Reeperbahn kein Einzelfall seien, müsse jetzt geprüft werden, wie rechtlich dennoch eine Wohnnutzung durchgesetzt werden kann. „Falls nötig müssen baurechtliche Gesetzesänderungen her, in Zeiten der Wohnungsnot ist Leerstand unerträglich.“
Zwei weitere Beispiele aus unserem Leerstands-Adventskalender belegen, dass Ausnahmen nicht die Regel bestätigen, sondern leider eher Ausnahmen die Regel sind. So lässt der Kirchenkreis-Ost seit mehr als acht Jahren am Biedermannplatz 13 ein Haus komplett leer stehen. Weil es sich bei dem Gebäude um das ehemalige Pfarrhaus handelt, sind dem Bezirk jedoch die Hände gebunden. Denn auch Dienstwohnungen sind im Sinne des Wohnraumschutzgesetzes kein Wohnraum.
Leider müssen wir einräumen, dass sich immer noch keine Lösung gefunden hat.– Remmer Koch, Pressesprecher Kirchenkreis-Ost
„Leider müssen wir einräumen, dass sich immer noch keine Lösung gefunden hat“, erklärt Remmer Koch, Pressesprecher vom Kirchenkreis-Ost, auf Hinz&Kunzt-Nachfrage. „Das bedauern wir wirklich sehr.“ Wie es jetzt weiter geht? „Zurzeit bereitet die Finanzbehörde den Verkauf des Grundstücks Biedermannplatz 1 an den Kirchenkreis Ost für einen Euro vor“, teilt das Bezirksamt auf Anfrage mit. Das Angebot steht offenbar mit der Erschließung des gesamten Areals im Zusammenhang. Der Kirchenkreis-Ost hält sich öffentlich allerdings bedeckt, weil die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Es bleibt zu hoffen, dass dort am Ende neuer Wohnraum für die Hamburger entsteht.
Während am Biedermannplatz 13 offensichtlich weitere Entwicklungen abgewartet werden, lässt sich der Leerstand des Eckhauses an der Juliusstraße 40 im Schanzenviertel längst nicht mehr erklären. Das in den Medien bereits als Geisterhaus titulierte Gebäude neben der Roten Flora steht seit mehr als zehn Jahren größtenteils leer. Der Bezirk vertritt die Ansicht, dass er nicht handeln könne. Denn der Eigentümer hat die Fertigstellung seiner Bauarbeiten beim Bezirk nie angezeigt. Somit gilt der Bau als nicht abgeschlossen.
Rechtsanwalt Meyer ist empört. „Die Behauptung, dass das Objekt Juliusstraße über sechs Jahre nach Gebäudeerrichtung immer noch nicht fertiggestellt sei, dient lediglich dazu, alle Maßnahmen des Wohnraumschutzes ins Leere laufen zu lassen.“ Diese Behauptung sei zudem falsch. Immerhin gab es vor zwei Jahren konkrete Anmietungsangebote des Vermieters im Internet, Journalisten besichtigten die Wohnung, vermietet wurde dennoch nie. „Der Bezirk Altona sollte sich nicht länger wegen eventuell fehlender Fußleisten auf der Nase herumtanzen lassen und endlich Zwangsmaßnahmen gegebenenfalls bis zur Einsetzung eines Treuhänders veranlassen“, fordert Marc Meyer.