Wie fröhlich können die Weihnachtstage werden, wenn man kein richtiges Zuhause hat? Große Erwartungen hegen die Hinz&Künztler Dieter, Bonnie und Clyde, Kim und Stefan nicht.
Dieter (64) hat für die Festtage noch keine Pläne. „Das ist eigentlich immer das gleiche. Weihnachten ist ein Tag wie jeder andere für mich“, sagt er. Immerhin hat er in diesem Jahr ein Dach über dem Kopf: Nach rund 30 Jahren auf der Platte und einem Krankenhausaufenthalt wegen Herzschwäche ist Dieter in der Kirchenkate in Volksdorf untergekommen. Dort hat er eine kleine Behausung ganz für sich allein. Doch Dieter tut sich schwer damit, häuslich zu werden. „Ich hab noch nicht mal einen Tannenbaum. Dafür ist es bei mir viel zu klein“, sagt er. Er will sich nicht beengt fühlen auf seinen 18 Quadratmetern.
Mit seinem Nachbarn Ralf hätte er wohl ein bisschen gefeiert, aber Ralf hat andere Pläne: Er will Weihnachten mit seiner Familie verbringen. So hat er es sich bei der Reise zum Papst vorgenommen. „Da bin ich dann ganz alleine“, sagt Dieter. „Silvester genauso.“ Er selbst hat keinen Kontakt mehr zu Verwandten. Bei der großen Weihnachtsfeier für Hinz&Künztler in der Fischauktionshalle war er aber dabei. Gut möglich, dass es für ihn das einzige Weihnachtsfest bleiben wird.
Kalter Asphalt
In Bonnies und Clydes Paarcontainer an der Münzstraße hängt jetzt eine Lichterkette mit Schweifstern-Lämpchen. Weihnachtlicher wird’s nicht. „Ich bin froh, wenn der ganze Scheiß wieder vorbei ist“, schimpft Clyde (38) in seiner großmäuligen Art. Dabei fand er die Weihnachtsparade auf der Mönckebergstraße sogar ganz gut. Mit großem Klimbim und unzähligen Lichtern zog die Parade vorüber, als die beiden vor der Parfümerie Douglas standen und die Hinz&Kunzt verkauften. „Du warst richtig begeistert!“, erinnert ihn Bonnie (45). Clyde grummelt in seinen Bart. „Wenn die quasi bei uns vor der Tür vorbeikommen, dann lasse ich mir das noch gefallen.“
Was die beiden aber richtig nervt, ist das ständige Festtagsgedudel, sobald sie in ihrem Container im Winternotprogramm das Radio einschalten. „Ein Weihnachtslied nach dem anderen, da kriegt man schon dicke Ohren“, sagt Bonnie. Kein Wunder: Während aus dem Lautsprecher Lobgesänge auf Heimeligkeit und familiäre Eintracht schallen, müssen sich Bonnie und Clyde täglich gegen lange Stunden auf den eiskalten, windigen Straßen wappnen.
Ein bisschen Nestwärme dürfen die beiden trotzdem erwarten, jedenfalls von Bonnies Familie. Von ihrer Adoptivmutter hat sie schon eine Weihnachtskarte bekommen, mit einem lieben Brief und einem Scheinchen als Unterstützung. Bonnie will auf jeden Fall noch zurückschreiben. Ihre Adoptiveltern leben in Niedersachsen, Bonnie sieht sie nicht oft, aber sie kann sich auf ihre Mutter verlassen. „Sie sagt immer: Ich stehe zu meinem Kind.“ Als Bonnie nach einer Prügelei wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, sprang ihre Mutter in die Bresche. Auch der Großteil des Geldes aus der Weihnachtskarte liegt schon als monatliche Rate in der Gerichtskasse. Der Rest landete in der Geldschachtel, die Clyde in einer seiner vielen Taschen verbirgt. Aus einer anderen fischt er die rote Weihnachtskarte. „Ich wünschte, ich hätte auch so eine Mutter“, sagt er. Als er das letzte Mal an seine eigene Mutter schrieb, kam keine Antwort.
Große Pläne für die Festtage haben Bonnie und Clyde nicht. Am Heiligabend soll es am Hofbräuhaus eine Feier für Obdachlose geben. „Da wollen wir mal vorbei gucken“, sagt Bonnie. Ansonsten wollen sie „ihr Ding machen“ und Zeitungen verkaufen, auch wenn die Geschäfte geschlossen sind. „Es sind immer noch genug Fußgänger unterwegs“, sagen sie. Für Silvester dagegen haben Bonnie und Clyde ganz ähnliche Pläne wie viele andere Menschen in Hamburg: „Den Kanal dichtballern, aber ho! Und vielleicht noch ein paar Böller besorgen.“
Kim (30) und Stefan (27) wollen Heiligabend in der TAS, der Tagesstätte der Diakonie an der Bundesstraße, verbringen. Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff hat sie zur Feier eingeladen. Weitere Pläne haben die beiden nicht. Dafür gibt es nach den Weihnachtstagen besonderen Grund zur Freude: Die beiden Hinz&Künztler sind zum Abendessen bei einer Stammkundin zu Gast. Seit Monaten schon haben sie engen, freundschaftlichen Kontakt zueinander. „Wir freuen uns schon drauf“, sagt Kim.