Uwe Grund geht in den Ruhestand. Als DGB-Chef stritt er immer für Gerechtigkeit, nahm kein Blatt vor den Mund und vergaß vor allem die Armen und Obdachlosen nicht.
(aus Hinz&Kunzt 250/Dezember 2013)
Manchmal haut Uwe Grund richtig drauf. Da schreibt sich der 61-Jährige, der in diesem Monat in den Ruhestand geht, seine Wut vom Herzen: „Gratulation an Hamburgs Superreiche“ ist die Pressemitteilung betitelt, die der DGB-Chef Mitte Oktober verschickt hat. Anlass sind die Koalitionsverhandlungen von CDU, SPD und CSU. Der Sozialdemokrat will auf die Notwendigkeit einer Vermögenssteuer und einer Finanztransaktionssteuer hinweisen. In der Sache nicht ungewöhnlich, im Ton schon. „Das ist schon toll: Ganze Staaten geraten ins Taumeln, europaweit steigt deswegen unter anderem die Jugendarbeitslosigkeit auf Rekordhöhen und soziale Sicherungssysteme werden abgebaut“, schreibt er. „Aber wer richtig Geld hat, dem kann es ja egal sein – das eigene Vermögen steigt!“
Mit einer Neiddebatte habe seine „Gratulation“ nichts zu tun, sagt er bei einem Abschiedsgespräch. „Es gibt ja reiche Menschen in dieser Stadt, die erkennbar etwas für die Allgemeinheit tun und etwas zurückgeben. Das begrüße ich sehr.“ Aber es gehe ihm darum, Verantwortung anzumahnen: „Euer Reichtum kommt nicht von ungefähr, sondern der kommt von der Arbeit und vom Engagement anderer Menschen und von Investitionen der Stadt und öffentlichen Institutionen.“ Denn wer stelle die ganze Infrastruktur zur Verfügung? Der Staat, die öffentliche Hand – der Steuerzahler.
„Alpenhohe Geldberge auf der einen Seite und auf der anderen eine Stadt, die nicht genug Geld hat, um in Bildung zu investieren, um dringende soziale Hilfsangebote zu finanzieren, Gebäude zu sanieren und Straßen zu bauen – diese Schieflage muss begradigt werden.“ Die einen machen mitten in der Krise mit Immobilien noch mehr Reibach, die anderen wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen.
Dieses Ungleichgewicht nimmt der Sozialdemokrat und Gewerkschaftsfunktionär durchaus persönlich. Was an seinem ganzen Werdegang liegt: Schon sein Vater war engagierter Gewerkschafter und konservativer Sozialdemokrat. Kräftig diskutiert und gestritten hätten sie zu Hause. Gundelsheim am Neckar, wo die Grunds lebten, war ein konservatives Dorf. 1971 wirkte der Juso mit seinen Eltern an der Gründung eines SPD-Ortsvereins mit. „Drei der elf Mitglieder hießen Grund“, sagt er und schmunzelt. Immer hat sich Uwe Grund für Sozial- und Wirtschaftspolitik engagiert. „Diese Kombination fand ich am spannendsten“, sagt der Exil-Schwabe. „Wirtschaftspolitik wegen der Erkenntnis, dass vieles in der Stadt sich nur bewegt, wenn wir wirtschaftlich stark sind. Und Sozialpolitik wegen des Themas Gerechtigkeit.“
„Für viele galten wir als Dinosaurier der Sozialpolitik“
Er machte eine Ausbildung bei der Allianz als Versicherungskaufmann. Schon mit 20 wurde er Gewerkschaftsfunktionär bei der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, nach der Fusion der Gewerkschaften stellvertretender Landesbezirksleiter von Verdi, 2009 DGB-Chef. Seine Schwerpunkte: Banken, Versicherungen, Dienstleistungen. Von 1991 bis 2011 war er Mitglied der Bürgerschaft und saß im Wirtschafts-, Sozial- und Kulturausschuss. In dieser Zeit hat er sich um die Themen Armutsentwicklung und Obdachlosigkeit gekümmert. „Menschen herauszuholen ist das eine, aber Menschen erst gar nicht hineinrutschen zu lassen, das war die eigentliche Triebfeder meines Engagements“, sagt Uwe Grund.
Aber die Zeiten haben sich geändert. „Wir haben etwas Einschneidendes erlebt: dass sich die wirtschaftliche Entwicklung abkoppelt von dem Thema Arbeit“, so Hamburgs Noch-DGB-Chef. „Unternehmen können heute weltweit operieren und erfolgreich sein – und trotzdem gehen Arbeitsplätze verloren und der Niedriglohnsektor wächst.“ Der Trend sei zwar schon vor 2005 erkennbar gewesen, als die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder Hartz IV einführte und den Arbeitsmarkt deregulierte, „aber er ist seitdem unglaublich verstärkt worden“, räumt der Sozialdemokrat ein. Gleichzeitig verloren die Gewerkschaften an Einfluss. „Für viele galten wir als Dinosaurier der Sozialpolitik“, sagt Grund. Inzwischen steigt die Zahl der berufstätigen Gewerkschaftsmitglieder wieder. „Ein großer Teil der Bevölkerung hat den Eindruck, dass es Gerechtigkeitsverletzungen in großem Umfang gibt.“
Mit diesen Gerechtigkeitsverletzungen kann sich in Zukunft seine Nachfolgerin Katja Karger herumschlagen. Uwe Grund drängt es nicht mehr nach Ämtern: „Ich erinnere mich ganz deutlich: Mit 35 war ich überzeugt, dass es Zeit ist, dass die alten Säcke mal Platz machen.“
Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk