Benjamin Adrion, Ex-Fußball-Profi vom FC St. Pauli, baut mit seinem Hilfsprojekt Viva con Agua Brunnen in der Wüste
(aus Hinz&Kunzt 183/Mai 2008)
Für meinen Sohn David, acht Jahre alt und seit mindestens vier Jahren Fan des Kiezklubs, ist eines glasklar: Wenn jemand am Verdursten ist, dann gibt man ihm zu trinken. Und der Reichere zahlt den Brunnen, logisch.
Genauso selbstverständlich sieht das im Prinzip auch Ex-Fußball-Profi Benjamin Adrion. „Warum sollten wir das nicht machen?“, gibt er die Frage nach seinem Motiv zurück. Er ist der Gründer von Viva con Agua, hat seine Kontakte zum FC St. Pauli genutzt, um das Projekt 2005 ins Leben zu rufen. „Die Fans vom FC St. Pauli sind ja ganz speziell und ich wollte auch wissen, ob die wohl so eine Sache mittragen würden“, sagt der 27-Jährige. „Unser Brunnenprojekt passt zum Club. Die Leute hier unterstützen Viva con Agua, alle tragen diese Idee, ob sie nun Anzug und Schlips anhaben oder Punks sind, das muss keiner im Vorstand anordnen.“
Benjamin Adrion ist ein junger Mann mit kinnlangen Haaren und Bart, der nichts von einem theoretisierenden Weltverbesserer an sich hat. Aber dafür alles, was ein Fußball- oder Rock-Star so braucht: einen durchtrainierten Körper, Augen, die die Praktikantinnen im Büro dahinschmelzen lassen, und natürlich eine Vision, eine ehrliche Idee von einer besseren Welt.
Mit Mittelfeldspieler Adrion wird soziales Engagement zum coolen Ereignis: Das Büro in Altona in der Großen Brunnenstraße im renovierten Fabrikhinterhof (das komplett von Studio 747 gesponsort wird) wirkt wie eine Newcomer-Werbeagentur – chaotisch, euphorisch beseelt, voller Ideen und Power und Lust daran, die Welt zu verändern. An der Wand hängt ein Postkarten-Bildchen vom Papst, Anspielung an das legendäre Papst-Bild im St. Pauli-Vereinsheim.
Das wirklich Coole aber ist: Diese Handvoll Freunde hat die Welt tatsächlich schon ein kleines bisschen verändert. So wurden in dem afrikanischen Dorf Sodo in Äthiopien fünf Brunnen gebaut. „3000 Menschen nutzen die direkt als Wasserquelle“, sagt Andrion. Aktuelles Projekt ist das Indio-Dorf Aujha Pihni in Nicaragua, das sauberes Trinkwasser erhalten soll. Insgesamt soll die Trinkwasserversorgung in allen 15 Milleniumsdörfern der Welthungerhilfe verbessert werden. Dahinter verbirgt sich das Ziel, bis 2010 in 15 Gemeinden in Ländern wie Äthiopien, Burkina Faso, Indien und Tadschikistan die Lebensverhältnisse entscheidend zu verbessern.
„Wichtig ist mir auch, dass nicht der Eindruck entsteht, wir kommen da als die barmherzigen Weißen an, die den armen Schwarzen einen Brunnen hinstellen“, sagt Benjamin Adrion. „Wir helfen, so wie man Freunden eben hilft.“ Wenn er wieder mal nach Sodo reisen wird, sei er sich sicher, dass er auch wie ein Freund dort empfangen wird und nicht wie jemand, dem man etwas schuldet.
Schuld an der Idee Viva con Agua ist übrigens ganz ganz entfernt auch Fidel Castro. Der Geburtsort für das Projekt war Kuba: „St. Pauli war ja die erste westliche Mannschaft, die auf Kuba ein Trainingslager einrichten durfte“, erzählt Adrion. „Damals war mir klar, dass der Kontakt zu den Leuten nicht abreißen würde. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg hab ich dann bei der Welthungerhilfe angerufen und gefragt, was ich mit meinen Freunden tun kann.“
Von dort kam dann der Plan, Brunnen für sauberes Trinkwasser zu bauen, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Seitdem organisiert Viva con Agua Benefiz-Fußballspiele, bei denen Promis wie Elton, Gentleman, Wir sind Helden und Sascha auflaufen. Es wird bei Rock-Festivals mitgemischt und jetzt zur Europameisterschaft ein Wassermarsch mit einem kongolesischen Holzfahrrad organisiert. „Einzige Bedingung für einen Brunnenbau ist von unserer Seite, dass wir zu den Projekten reisen und uns vor Ort vom Baufortschritt überzeugen“, so Benjamin Adrion. Für die Seriosität der Projekte bürgt die Welthungerhilfe als Kooperationspartner.
Glaubwürdig sind die Aktiven auch aus einem anderen Grund: „Es wurde noch niemand bezahlt für seine Arbeit beim Projekt“, so Adrion. „Wir arbeiten hier seit einem Jahr zum Nulltarif.“ Das Argument, von irgendetwas müsse er leben, seitdem sein Vertrag beim FC St. Pauli 2006 auslief, wischt der Ex-Profi vom Tisch wie lästige Kekskrümel: „Ich brauche fast nichts, auf Luxus steh ich nicht. Ja klar, vielleicht würde das nicht jeder machen, das ist auch schon sehr crazy, wie wir hier arbeiten. Aber ich mach mir keine Sorgen. Ich muss dem Geld nicht hinterherjagen, irgendwann wird es mich von allein finden.“