Wie Kinder Obdachlose sehen – ein Malwettbewerb von Hinz & Kunzt
(aus Hinz&Kunzt 142/Dezember 2004)
Hinz&Kunzt war neugierig darauf, was Kinder von Obdachlosen halten. Deswegen veranstaltete das Straßenmagazin in mehreren Einkaufszentren einen Malwettbewerb. Die Ergebnisse sind im Dezember bei Hinz&Kunzt ausgestellt.
Sina Gröhn tanzt. Einmal pro Woche übt die Neunjährige im Tanzkurs die neuesten Hip-Hop-Schritte. Malen tut sie auch gerne, und sie hat auch schon an anderen Malwettbewerben teilgenommen. „Mein Bild zeigt einen Obdachlosen, der auf einer Brücke sitzt, unter der Autos durchfahren. Vor ihm ist eine Schüssel, in die Leute Geld reinwerfen sollen, und eine Hinz & Kunzt. Außer-dem hat er eine Flasche und einen Hund dabei. Weil die Obdachlosen, die ich sehe, oft Flaschen dabei haben. Und Hunde haben sie auch manchmal. Allerdings nicht ganz so oft wie Flaschen. Ich denke, dass es nicht schön ist, auf der Straße zu leben. Das schlimmste ist sicher, wenn Leute dann an dir vorbeigehen und Penner sagen. Ich sehe oft Obdachlose. Wenn ich morgens zur Schule gehe, komme ich an einem großen Haus vorbei, vor dem manchmal einer schläft. Mit dem habe ich aber noch nie geredet. Wenn ich abends nach Hause gehe, laufe ich durch eine Unterführung, in der oft ein anderer Obdachloser sitzt. Der hat einen Bart und eine Gitarre, mit der er Musik macht. Zweimal habe ich ihm auch schon was von meinem Taschengeld gegeben. Meine Freundin hat ganz doll Angst vor ihm. Wenn wir an ihm vorbeigehen, muss ich sie immer an die Hand nehmen. Ich habe aber keine Angst. Warum sollte er böse sein?“
Tessa Hartmanns Leben dreht sich um den Sport. Die Zehnjährige fährt viel Fahrrad und spielt begeistert Hockey im Verein. Fit zu bleiben ist nötig – sie will später mal Sport-lehrerin werden. „Mein Bild zeigt einen Obdachlosen, der auf der Straße sitzt. Immerhin hat er eine Decke, auf der er sitzen kann. Viele Obdachlose haben ja noch nicht mal die und müssen stehen. Das habe ich schon öfters beobachtet, allerdings nicht bei mir zu Hause in Wandsbek. Dort begegne ich selten Obdachlosen, eher wenn ich in nach Hamburg reinfahre. Manchmal gebe ich etwas, aber nicht nur aus Mitleid, sondern wenn jemand etwas macht, was mir gefällt. Beispielsweise Musik. Einige Obdach-lose sehen ziemlich wild aus. Das finde ich nicht so toll, wenn ich so jemandem alleine begegnen würde, hätte ich wohl Angst vor ihm. Ich bin froh darüber, dass ich nicht draußen leben muss. Ein Wohnung zu haben ist einfach praktischer, gerade jetzt im Winter, wenn es kalt ist. Warum so viele Leute auf der Straße leben müssen, weiß ich nicht. Ich denke mal, dass sie in der Schule nicht so gut waren und deswegen jetzt kein Geld verdienen können.“
Christina Paap ist 13 Jahre alt. Ihr Hobby ist Singen und Schauspielern, leider wurde die Theatergruppe an ihrer Schule aufgelöst. Malen kann sie auch, obwohl sie in der Schule selten gute Noten dafür bekommt.
„Ich habe am Malwettbewerb eigentlich nur aus Spaß mitgemacht. Ich war mit meinen Freundinnen shoppen, und am Hinz & Kunzt-Stand konnte man sich gut hinsetzen. Und dass es umsonst Gummibärchen gab, hat uns natürlich auch begeistert. Mein Obdachloser bittet mit einem Schild in der Hand um etwas Geld. Seine Frisur ist total wuschelig, weil die Obdachlosen oft so komische Haare haben. Außerdem ist er am Bein verletzt, weil die ja ein raues Leben führen. Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, auf der Straße zu leben. Ich brauche mein Zimmer, in das ich mich zurückziehen kann. Außerdem ist da meine Familie, mit denen ich über Probleme reden kann. Bei schlechten Noten muntern mich meine Eltern beispielsweise auf. Klar, manchmal gibt es schon Stress zu Hause, wenn ich nicht ins Kino darf oder wenn ich schlecht gelaunt bin und meine Mutter mich dann Zicke nennt. Trotzdem käme es für mich nicht in Frage, von da abzuhauen. Wenn ich in der Stadt Obdachlosen begegne, gebe ich denen oft Geld, auch wenn ich selbst nicht besonders viel hab. Aller-dings ist mein Taschengeld für den Monat meistens schon in der ersten Woche weg. Aber das ist natürlich etwas ganz anderes als bei einem Obdachlosen, ich hatte ja zumindest mal Geld und hätte es sparen können und bekomme nächsten Monat neues. Der Obdachlose hat ja überhaupt nichts. Meine Freundinnen und ich haben keine schlechte Meinung von Obdachlosen. Manchmal ziehen die Jungs in meiner Klasse über Drogenabhängige her, aber die sollten sich erst mal an die eigene Nase fassen. Rauchen tun da nämlich auch schon einige.“
Paul Schröder gehört eigentlich auf die Bühne. Denn der Elfjährige sorgt überall für gute Stimmung. Er und sein bester Freund Michael wollen am liebsten mit Schulz und Schulz angesprochen werden, wie die Detektive in den Tim und Struppi-Comics. Die lesen beide nämlich für ihr Leben gerne. „Der Mann auf meinem Bild ist kein Obdachloser. Und er ist auch nicht traurig. Die blauen Punkte in seinem Gesicht sind keine Tränen. Das sieht man, schließlich grinst er über das ganze Gesicht. Das ist das Sams. Mit seinen blauen Wunschpunkten. Ich dachte, ich male für die Obdachlosen ein Sams, dann können die sich nämlich was wünschen. Etwas zum Essen zum Beispiel. Wenn ich ein Sams hätte, würde ich mir Schnee wünschen. Und mich reinfallen lassen und einen Schneeengel machen. Oder eine Schneeballschlacht.“