Erneut gab es eine Räumung einer Obdachlosen-Platte – dieses Mal in Wandsbek. Betroffen: 15 Menschen aus Osteuropa. David ist einer von ihnen. Er hat fast nichts mehr – sogar sein Weihnachtsgeschenk landete auf dem Müll.
Die Turnschuhe wollte der obdachlose David seinem Bruder zu Weihnachten schenken. Jetzt sind sie weg. Zusammen mit Matratzen, Zelten, Taschen, Koffern und anderen Kleidungsstücken. Auch persönliche Papiere fehlen, sagt er. „Ich habe nur noch das, was ich anhabe und was in meinem Rucksack war.“
Sieben Tage lang hat der Rumäne in einem Park in Wandsbek geschlafen – insgesamt hatten dort 15 Obdachlose seit circa zwei Monaten Platte gemacht. Die Polizei sei in dieser Zeit einmal da gewesen und habe die anderen aufgefordert, zu „verschwinden“, erzählt David. Aber wohin sollen sie gehen?
Osteuropäern wird der Zugang zum Winternotprogramm derzeit massiv erschwert. Inzwischen wurden mehr als 100 Obdachlose abgewiesen und dürfen dort nicht mehr übernachten. Begründung der Stadt: Sie haben in der Heimat eine Bleibe und könnten dorthin zurückkehren. Zudem greift die Ausländerbehörde hart gegen EU-Ausländer durch: Bereits 568 Personen wurden zu Befragungen vorgeladen, 112 Personen wurde das Recht auf Freizügigkeit aberkannt.
Finanzbehörde ließ räumen
Viele schlafen deshalb auch jetzt noch draußen. So wie David. Bis am vergangenen Dienstag geräumt wurde. Der Park, in dem sich die Platte der Obdachlosen befand, gehört zum Allgemeinen Grundvermögen der Stadt, zuständig ist die Finanzbehörde. Ja, man habe dort geräumt, bestätigt Behördensprecher Christopher Harms auf Hinz&Kunzt-Nachfrage. Begründung: „Anwohner hatten sich beschwert.“
Die Räumung sei jedoch angekündigt gewesen, sagt der Sprecher. Die Obdachlosen hätten also Gelegenheit gehabt, „ihr Eigentum im Vorfeld von der Fläche zu entfernen“. Die Vorwarnzeit, bevor geräumt wurde: ein Tag.
Auch am Tag der Räumung selbst habe man jene Obdachlose, die man vor Ort traf, aufgefordert, ihr Hab und Gut mitzunehmen. Nur die „verbliebenen Gegenstände“ seien entsorgt wurden. Persönliche Papiere seien dabei nicht gefunden worden, so der Sprecher.
Rigoroses Vorgehen
In einem ähnlichen Fall hatte der Bezirk Nord vor wenigen Wochen genau so rigoros gehandelt. Auch damals wurde das Hab und Gut der Obdachlosen kurzerhand entsorgt. Die Aufbewahrung sei „mit unverhältnismäßig großen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden“, begründete Bezirksamtsleiter Harald Rösler das Vorgehen.
David war nicht vor Ort, als geräumt wurde. Weil er nicht wusste, wo er nach der Räumung hin sollte, übernachtete er zeitweilig im Auto eines Bekannten. Inzwischen ist er zurück nach Rumänien gefahren. Ohne Koffer. Und ohne die Turnschuhe, die er seinem Bruder zu Weihnachten hatte schenken wollen.
Für die Öffnung des Winternotprogramms für alle Obdachlosen hat Hinz&Kunzt zusammen mit dem Straßenmagazin-Verkäufer Jörg Petersen eine Petition an Bürgermeister Olaf Scholz ins Leben gerufen: