In einer ehemaligen Schule in Horn wurde eine neue Winter-Notunterkunft geöffnet. Vor allem Bulgaren, Rumänen und Afrikaner finden dort einen Erfrierungsschutz.
(aus Hinz&Kunzt 250/Dezember 2013)
In einem Müllcontainer stapeln sich Stühle, Tische und Werkbänke. Alles musste raus aus der Schule Weddestraße in Horn. Denn am 4. November öffnete der städtische Unterkunftsbetreiber fördern und wohnen (f&w) in dem Gebäude eine neue Notschlafstätte für obdachlose Menschen. Die Wände wurden nicht neu gestrichen. An den Fenstern kleben sogar noch von Schulkindern gemalte Bären- und Blumenfolien. Auch die Namensschilder einiger Grundschüler wurden nicht von der Garderobe entfernt. Insgesamt macht das Gebäude aber einen aufgeräumten und sauberen Eindruck. Die lichtdurchfluteten ehemaligen Klassenzimmer wirken geradezu einladend.
Die meisten Menschen, die in der Weddestraße unterkommen, stammen aus Bulgarien und Rumänien. Die dritte größere Gruppe kommt aus Nigeria. Aus Sicht der Behörde haben Wanderarbeiter keinen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung. In diesem Winter hat die Behörde deswegen ein Zwei-Klassen-System eingeführt: Menschen ohne Rechtsanspruch dürfen sich nicht länger als fünf Nächte in den Notunterkünften in der Spaldingstraße und dem Pik As aufhalten. Danach werden sie täglich mit dem Bus in der Spaldingstraße abgeholt. Während dort jeden Tag ab 17 Uhr geöffnet ist, können die Wohnungslosen die Schule in der Weddestraße erst ab 19 Uhr betreten. Bis zu 150 Menschen wird dort ein Erfrierungsschutz geboten. Morgens müssen sie das Gebäude um 9 Uhr wieder verlassen.
Im Unterschied zu dem zur Notunterkunft umgebauten Bürogebäude in der Spaldingstraße ist die Schule in Horn weitläufig. „Aus Brandschutzgründen müssen die Sicherheitsmitarbeiter deswegen regelmäßig Kontrollgänge durchs Gebäude unternehmen“, sagt f&w-Mitarbeiterin Annika Holmer. Hinz&Künztler Deyan fühlt sich davon nicht belästigt. „Die Mitarbeiter sind alle sehr nett“, sagt der Bulgare. Auch dass er sich mit elf weiteren Männern ein Zimmer teilte, hat ihn nicht gestört. „Mit den Leuten gab es keine Probleme, da war alles entspannt“, sagt Deyan.
Trotzdem ist Deyan froh, dass er nicht länger in der Weddestraße nächtigen muss. Er hat inzwischen für die Wintermonate einen Platz in einer Kirchenkate erhalten. Dort stehen ihm ein Schrank und weitere Abstellmöglichkeiten zur Verfügung. In der Notunterkunft gab es das nicht. Viel schlimmer seien allerdings die Sanitäranlagen und die Feldbetten gewesen, sagt Deyan. „Die Liegen sind furchtbar unbequem. Sie wackeln, und von unten zieht die Kälte hoch“, so der 33-Jährige. „Und die Duschen sind irgendwo draußen.“ Tatsächlich müssen die Wohnungslosen zum Duschen in die neben der Schule liegende Turnhalle gehen. „Das ließ sich leider nicht anders lösen“, räumt Holmer ein. Einen kurzen Weg zu den Duschen haben nur diejenigen, die bei besonders großem Andrang in der Turnhalle schlafen müssen. 30 Feldbetten stehen dicht an dicht in der Halle für sie bereit.
Insgesamt 700 Plätze bietet das Winternotprogramm in diesem Jahr.
Besser haben es die Frauen: Ihnen steht ein eigener, vom Männerbereich abgetrennter Duschraum in der Schule zur Verfügung. Direkt gegenüber liegt ihr Schlafraum. „Wir haben keine Zimmer für Pärchen, deswegen schlafen die Partner getrennt“, erklärt Holmer. Der Andrang hielt sich Anfang November noch in Grenzen. Nur acht Frauen schliefen in dem Klassenzimmer.
Inzwischen wächst die Zahl der Übernachtungsgäste in der Weddestraße an: Mitte November kamen 124 Personen dort unter. Der Senat hat dieses Jahr allerdings vorgesorgt. Sollten die Zahlen weiter steigen, kann in Marienthal eine weitere ehemalige Schule als Notunterkunft geöffnet werden. Insgesamt 700 Plätze bietet das Winternotprogramm in diesem Jahr. Bis Mitte November lag die höchste Belegung bei 463 Personen. Hinz&Kunzt kritisiert, dass die Notunterkünfte nur in den Nächten geöffnet sind. Denn in der kalten Jahreszeit bieten nur Einrichtungen wie das Herz As tagsüber Obdachlosen Schutz, Essen und Wärme. Im November wurde das noch nicht zu einem Problem. Herz-As-Leiter Andreas Bischke sagt: „Der Ansturm ist zum Glück bislang ausgeblieben.“
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante