Erfolg für Pfandsammler : Viele unbekannte Freunde

Mehr als 57.000 Unterzeichner unterstützen die Flaschensammler vom Flughafen. Deshalb zieht das Airportmanagement die Strafanzeigen zurück. Vielen Dank für das Engagement!

(aus Hinz&Kunzt 265/März 2015)

Pfandsammeln Erlauben
Christians Fall brachte die ­Petition ins Rollen. Jetzt ist der Hinz&Künztler glücklich, dass der Flughafen die Anzeige zurückgezogen hat.

Was für ein Erfolg! Mehr als 57.000 Menschen haben im Februar die Onlinepetition für Pfandsammler am Flughafen unterzeichnet, die unser Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer gestartet hatte. Und das in nur drei Tagen! „Wir haben wieder einmal gemerkt, dass Pfandsammler in der Bevölkerung große Sympathien genießen“, sagt Karrenbauer. Schon im vergangenen Jahr liefen unsere Leser Sturm gegen die modernen Mülleimer in der City, in die Flaschensammler nicht mehr hineingreifen können. Durch den öffentlichen Druck lenkte damals die Stadtreinigung ein und brachte zumindest an einigen ­Behältern Pfandregale an. Im Haushalt sind jetzt sogar 100.000 Euro für weitere Regale vorgesehen. Noch im März will die Stadtreinigung entscheiden, wie viele Pfandregale sie davon anschafft.

Jetzt hatte auch der Flughafen schnell ein Einsehen. Die 97 Strafanzeigen, die die Verwaltung im vergangenen Jahr gegen Flaschensammler gestellt hatte, nahm sie wieder zurück. Und auch das Sammelverbot auf dem Flughafengelände wird vorerst außer Kraft gesetzt. In einer dreimonatigen Testphase sollen Pfandringe ausprobiert werden, um zu vermeiden, dass in Mülleimern nach Flaschen gesucht wird. Das ist das Ergebnis der Verhandlungen, die unser sozialpolitischer Sprecher Stephan Karrenbauer mit der Flughafenverwaltung geführt hat. Ohne die Unterstützung der Petitionsunterzeichner hätte er das nie geschafft.

Auch Hinz&Künztler Christian freut sich, dass die Anzeige gegen ihn nun zurückgenommen wurde. „Ich war überrascht, dass jemand wie ich so schnell so viele unbekannte Freunde bekommt“, sagt er überwältigt. „Darüber habe ich mich sehr gefreut.“ Denn mit Christian fing die ganze Geschichte an: Er kam im Dezember mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch, gestellt vom Flughafen, zu uns. Trotz Verbot hatte er am Airport Flaschen gesammelt. Zunächst rechtfertigte der Flughafen das Verbot noch: Es solle einen „ungestörten Betrieb“ gewährleisten und den Fluggästen einen „angenehmen Aufenthalt“ ermöglichen, hieß es.

Pfandsammeln Erlauben
Angenehmer Aufenthalt für Fluggäste und Flaschensammler. Der Hamburg Airport testet dieses friedliche ­Miteinander in den kommenden Monaten.

Viele Leser haben uns Vorschläge geschickt, wie man mit der Situation umgehen könnte. Auf dem Stuttgarter Flughafen zum Beispiel stehen Pfand- sammelbehälter, die von Mitarbeitern der Straßenzeitung „Trott-War“ geleert werden.

Ein ähnliches Modell hatte der Hamburg Airport auch Hinz&Kunzt angeboten – doch wir haben abgelehnt. „Pfandsammeln ist für viele die einzige Möglichkeit, sich legal über Wasser zu halten“, sagt Karrenbauer. Deswegen müsse es jedem, der dabei niemanden belästige, erlaubt bleiben – nicht nur Hinz&Kunzt-Verkäufern. Gerade an so stark frequentierten Orten wie dem Flughafen.

In Bremen funktioniert das übrigens: Am dortigen Flughafen ist das Flaschensammeln grundsätzlich erlaubt. Entscheidend sei das Verhalten der Sammler, sagt Sprecherin Andrea Hartmann: „Bei Beschwerden spricht unser Servicepersonal die entsprechende Person an und bittet um Rücksicht.“ Warum soll das in Hamburg nicht auch möglich sein? Die Testphase, in der der hiesige Flughafen nun Pfandringe erproben und das Sammeln erlauben will, wird unser Sozialarbeiter genau beobachten.

Auch die Deutsche Bahn hat angekündigt, das Ergebnis der Probezeit am Flughafen abwarten zu wollen. Denn auf den Bahnhöfen der S- und Fernbahnen ist das Flaschensammeln ebenfalls verboten – um „ästhetischen Aspekten anderer Bahnhofsnutzer Rechnung zu tragen“, sagte uns eine Bahnsprecherin. Bei Verstößen droht Sammlern auch hier mitunter eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch. „Wir sind mit der Bahn darüber im Gespräch“, sagt Stephan Karrenbauer.

Christian ist inzwischen kein Flaschensammler mehr. „Ich verdiene jetzt genug mit Hinz&Kunzt, um zu überleben“, sagt er. Eine feste Unterkunft hat er aber noch immer nicht. „Wenn jemand eine Bleibe für mich hat, soll er sich melden“, sagt Christian.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante