136 Euro Heizkostennachzahlung – deswegen muss die arbeitslose Mutter Meike umziehen. Hinz&Künztler Gerrit über Ärger mit der ARGE Wedel
(aus Hinz&Kunzt 150/August 2005)
„Juchu, endlich eine neue, eine eigene Wohnung für mich und meine kleine Tochter!“, freute sich meine Freundin, die alleinerziehende Mutter Meike, im Dezember, als sie die vom Sozialamt bezahlte Wohnung bezog. Doch die Freude währte nicht lange. Schon im Mai kam die Ernüchterung – in Form einer Aufforderung zur „Zwangsumsiedlung“.
Mitte Mai flattert Meike ein großes Problem ins Haus, in Form eines Briefes der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wedel, zuständig für die Betreuung von Arbeitslosengeld(ALG)-II-Empfängern. Darin steht: „Ihre derzeitigen Unterkunftskosten überschreiten die angemessenen Kosten.“ Deswegen fordert das Amt Meike auf, „sich dringend um die Senkung der Unterkunftskosten zu bemühen“ – also sich eine neue Wohnung zu suchen. Meike versteht die Welt nicht mehr: „Wie kann die Wohnung zu teuer sein, wenn die Miete im Dezember noch angemessen war?“ Denn Meike war erst vor sechs Monaten, nach der Trennung von ihrem Mann, mit ihrer 17 Monate alten Tochter in die neue Wohnung gezogen.
Damit fingen die Probleme an: „Die Wohnung liegt im Erdgeschoss und hatte ein paar Wochen leergestanden, so dass ich erst mal kräftig einheizen musste“, erklärt Meike. „Und im wahrsten Sinne wurde mir dann heiß und kalt, als ich die Heizkostenabrechnung bekommen habe.“ Sie musste 136 Euro nachzahlen, und das innerhalb von nur vier Monaten. Die Hilfe-Empfängerin stellte einen Antrag auf Kostenübernahme: „Der wurde auch bewilligt, allerdings nur als Darlehen, das ich mit 25 Euro monatlich zurückzahlen muss.“
Wegen der höheren Nebenkosten besteht die ARGE nun darauf, dass sich Meike eine neue Wohnung sucht. Sie muss sich monatlich um mindestens zehn Wohnungen bewerben und das gegenüber der Behörde genau dokumentieren.
Meike begibt sich auf Wohnungssuche: Sie liest Anzeigen im Internet, kauft sich – obwohl ihr Geld knapp ist – pro Monat drei Zeitungen mit Immobilienteil und trägt sich in elf Wartelisten von Wohnungsbaugesellschaften ein. „Durch die Telefonate mit Maklern und Vermietern hat sich meine Telefonrechnung um monatlich 47 Euro erhöht.“
Durch den Stress geht es ihr auch gesundheitlich schlechter. Sie bekommt massive Kreislaufprobleme sowie starke Rückenbeschwerden. Meike: „Manchmal habe ich große Angst, keine neue Wohnung zu finden und dass ich dann mit meiner Kleinen in ein Mutter-Kind-Heim muss.“ Das hatte ihr eine Mitarbeiterin der ARGE für den Fall angedroht, dass sie keine neue Wohnung findet.
Überhaupt ist der Umgangston im Wedeler Amt rau: „Mir wurde beispielsweise gesagt, dass ich mein ‚schreiendes und nerviges Kind‘ gefälligst zu Hause lassen soll.“ Die Dame hat wohl noch nie was davon gehört, dass ein zahnendes Kind auch mal weint. Das Verhalten der für sie zuständigen ARGE-Mitarbeiterin empfindet Meike als demütigend: „Ich glaube, diese Mitarbeiterin hat was gegen mich und möchte mich schikanieren. Denn auch wenn ich auf öffentliche Gelder angewiesen bin, möchte ich doch zumindest mit Höflichkeit und Respekt behandelt werden.“
Aber Meike sucht weiter nach einer bezahlbaren Wohnung. Auch schon deshalb, weil die Behörde ihr schrieb, dass nur dann zusätzlich anfallende Kosten wie doppelte Mietzahlungen, Umzugs- und Renovierungskosten übernommen werden können, wenn die Miete angemessen ist. Nach rund 30 Absagen hat sie sie endlich gefunden, die Wohnung, die auch das Wedeler Amt für bezahlbar hält. Aber die Freude währt nicht lange. Denn plötzlich soll sie all die anderen Kosten selbst bezahlen. Bei dem Passus im Brief habe es sich um eine Kann-Bestimmung gehandelt, sagt die Mitarbeiterin auf einmal. Und: „Einen Teppichboden brauchen Sie nicht, Ihr Kind kann ja schon laufen. Und außerdem ist das ja eh Angelegenheit des Vermieters. Und neue Gardinen brauchen Sie auch nicht.“
Die Kaution für die neue Wohnung bekommt Meike in Form eines Darlehens, das sie in 25-Euro-Raten zurückzahlen soll. Das ist ihr drittes Darlehen, denn Meike muss schon die Kosten für eine Umschulung und die Heizkosten-Nachzahlung abstottern. So hat sie 75 Euro weniger pro Monat für sich und ihre Tochter. Außerdem soll sie plötzlich 1050 Euro an das Amt zurückzahlen – angeblich habe sie Unterhaltszahlungen des Kindsvaters nicht angegeben: „Das stimmt nicht: Ich habe schwarz auf weiß, dass ich die selbstverständlich angegeben habe.“
Zum 1. September wird sie wohl umziehen. Einen Nachmieter für die alte Wohnung muss sie noch finden. Kündigen konnte sie zum 1. November, nur eine der zwei Doppelmieten will das Amt bislang übernehmen. Dazu kommen die Umzugs- und Renovierungskosten für die neue Wohnung, die sie eigentlich gar nicht wollte. Meike ist verzweifelt: „Wovon soll ich denn das noch bezahlen? Mein Geld reicht ja jetzt schon kaum zum Leben.“
Gerrit
Die ARGE Wedel hat sich – nachdem Hinz&Kunzt begonnen hat, im Fall zu recherchieren – lediglich bereit erklärt, die Miete für den Umzugswagen und einen Teppichboden fürs neue Kinderzimmer zu zahlen. Renovierungskosten für die alte und die neue Wohnung will die Behörde nicht übernehmen, sie würden im Kreis Pinneberg grundsätzlich nicht gezahlt. Die anders lautende Formulierung im Behördenschreiben sei aus Nürnberg geliefert worden, „weckt Erwartungen und hat uns viele Probleme bereitet“, so der stellvertretende Teamleiter der ARGE Wedel, Bastian Glöckner. Der Vordruck werde inzwischen nicht mehr verwandt. Wie viele ALG-II-Empfänger ihre Wohnung wegen einer zu hohen Miete aufgeben mussten bzw. dazu aufgefordert worden sind, wird angeblich nicht erfasst. Die ARGE fordere ohnehin nur auf, die Kosten zu senken, meint Glöckner. Dass in den Schreiben der Behörde steht, der Hilfeempfänger möge sich eine billigere Wohnung suchen, sei in Fällen wie dem beschriebenen „nicht ganz glücklich“.