Im vergangenen Jahr hat es an 212 von 365 Tagen in Hamburg geregnet. Wie schützen sich Menschen, die auf der Straße leben, und wie gefährlich sind Wind und Nässe für sie? Vier Obdachlose berichten.
„So ein Mist!“ Abel stapft an einem grauen Februar-Vormittag durch die Spitalerstraße. In seinen Armen trägt er nasse Klamotten, Kissen und eine Decke. In den vergangenen Tagen hat es viel geregnet. „Letzte Nacht hat es gar nicht aufgehört. Schlafen kann man da vergessen“, sagt der Obdachlose. „Das Wetter momentan ist scheiße. Alles ist nass und auch, wenn meine Platte überdacht ist, regnet es rein. Der Wind kommt ja auch noch dazu.“
Er habe seine Sachen an einem Baustellenzaun zum Trocknen aufgehängt, berichtet der 40-Jährige. Doch Männer in Warnwesten seien gekommen und hätten ihn aufgefordert, diese abzunehmen. Wer sie waren, weiß Abel nicht. „Wir passen halt nicht ins Bild“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Ständig müsse er sich in einer Kleiderkammer neue Klamotten besorgen, weil seine nicht mehr trockneten. „Regen und Wind sind echt das Schlimmste. Sogar schlimmer als Schnee.“ Er biegt in eine Seitenstraße ein und bleibt vor seiner Matratze unter dem Vordach einer Drogerie stehen. Die nassen Sachen in seinen Armen lässt er danebenfallen und setzt sich.
Um im Trockenen zu schlafen, ist Abel auch schon öfter ins Winternotprogramm gegangen. Doch das koste ihn große Überwindung. „Ich trinke jetzt seit zehn Jahren nicht, aber die stecken mich immer wieder mit Alkoholikern aufs Zimmer. Das ertrage ich nicht“, sagt er.
Im Moment ist Abel erkältet. Er hoffe, nicht schlimmer krank zu werden. Der traurige Grund: „Das könnte ich mir gar nicht erlauben.“ Er wisse nicht, wie er an Geld kommen sollte, wenn er krank sei. Momentan sammelt er Pfandflaschen. Tagsüber fahre er U-Bahn, um sich warm und trocken zu halten – meist ohne Fahrschein, den er sich nicht leisten könne. „Deshalb habe ich schon etliche Geldstrafen am Hals – keine Ahnung, wie ich die bezahlen soll.“
Nicht nur Abel hat mit dem Wetter zu kämpfen. Auch Michael kommt an seine Grenzen: „Der Regen ist überall.“ Der Obdachlose schläft seit sechs Jahren draußen. Meistens suche er in Hauseingängen Schutz. Vor einigen Jahren habe er eine Lungenentzündung gehabt. „Ein Arzt hat mir gesagt, dass ich daran sterben kann“, sagt der 48-jährige Brite auf Englisch. „Damals habe ich Glück gehabt. Jetzt habe ich Angst, wieder krank zu werden.“
Peter Ostendorf, Leiter der ehrenamtlichen „Praxis ohne Grenzen“, bestätigt, dass Nässe lebensbedrohlich werden kann. „Wenn man dauernd mit ihr konfrontiert wird, kann das gerade für Menschen gefährlich sein, die ohnehin in einem schlechten gesundheitlichen Zustand sind“, sagt er. „Nässe ist besonders für die Atemwege gefährlich. Sie kann zu Bronchitis und Lungenentzündung führen.“ Diese Krankheiten könnten tödlich verlaufen. Eigentlich müssten kranke Menschen ins Warme und Trockene und sich ausruhen, sagt der Mediziner. Für Obdachlose sei es daher besonders schwierig, wieder gesund zu werden.
Manuel hat bereits mehrere Lungenentzündungen hinter sich. Ein Arzt bei der Beratungsstelle „CariCare“ der Caritas habe ihm geraten, sich einen warmen und trockenen Platz zu suchen. „Da musste ich lachen. Ist nicht einfach draußen“, sagt Manuel. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als ins Winternotprogramm zu gehen. „Aber da bin ich auch nicht gesund geworden. Das war Stress für mich“, sagt der 43-Jährige. Stress unter anderem, weil sich mehrere Menschen ein Zimmer teilen und sie morgens um 9.30 Uhr wieder raus müssen. Erst mithilfe von Antibiotika sei Manuel wieder auf die Beine gekommen.
Der Obdachlose versucht, in Parkhäusern und Garagen zu schlafen, doch gestern habe er nichts Trockenes gefunden. „Mein Schlafsack und meine Isomatte sind komplett nass.“ Er zeigt an seinem Körper hinunter. „Und ich auch. Von oben bis unten.“ Er habe seine Sachen morgens im Bahnhof in ein Schließfach geschlossen, weil sie durch die Nässe schwer zu tragen geworden waren. Manuel weiß, dass sie da nicht trocknen und er heute Nacht wieder in den nassen Schlafsack muss. „Mir geht’s nicht gut bei dem ganzen Regen. Ich friere. Es ist so verdammt ungemütlich“, sagt der 43-Jährige. Seit Stunden sitzt er an der Heizung des Tagestreffs CariCare in der Innenstadt. Hier könne er zumindest tagsüber im Warmen dösen und dabei würden seine Klamotten hoffentlich trocknen.
Anne hat fast ein Jahr lang draußen geschlafen. Sie erinnert sich noch gut an die nassen Tage auf Platte. „Wenn es regnet, ist es ätzend“, sagt die 56-Jährige. Nachts habe sie sich den Schlafsack bis über den Kopf gezogen. „Alles ist klamm und kalt. Man muss zusehen, dass man zwischendurch ins Warme kommt.“ Sie habe sich oft in einer Einkaufspassage aufgewärmt, doch da könne man nicht lange bleiben. „Dann kommt die Security“, sagt sie.
Seit einigen Wochen hat Anne gemeinsam mit ihrer Hündin und ihrem Partner ein Zimmer in der Übernachtungsstätte Pik As. Dort kann sie bis Ende März bleiben. Aber auch dort müsse sie tagsüber raus. Dann bettelt sie in der Innenstadt. „Wichtig ist, dass der Platz immer möglichst windgeschützt und überdacht ist“, sagt sie. „Das Wetter ist echt eine große Herausforderung.“
Wenig Schutz für Obdachlose vor Nässe und Wind