Das Bodelschwingh-Haus setzt auf Hilfe beim Wohnen
(aus Hinz&Kunzt 119/Januar 2003)
Welche Angebote gibt es für Menschen, die nicht mehr auf der Straße leben wollen? In dieser Ausgabe stellen wir das Bodelschwingh-Haus vor.
Hinz & Kunzt-Verkäufer Heinz hält einen Schlüssel in der Hand: für anderthalb Zimmer mit Küche und Bad in Barmbek. Es ist seine Wohnung – auch wenn im Mietvertrag noch jemand anderes steht: das Bodel-schwingh-Haus, eine der großen stationären Hilfseinrichtungen für Obdachlose in Ham-burg.
Heinz war früher Tankwart, wurde arbeitslos, jobbte als Hafenarbeiter. Die Wohnung, in der er mit seiner Freundin gelebt hatte, konnte er nach deren Tod nicht mehr halten.
Seit Oktober 2001 lebt er im Bodelschwingh-Haus.
Die Geschichte des Hauses reicht zurück bis 1927: Damals gründete die Hamburger Kirche für obdachlose Männer das Haus Scharhörn. Wie die Chronik berichtet, gefiel den Nazis die kirchliche Arbeit nicht: Sie rügten schon 1933, dass die Bewohner nicht zur Arbeit verpflichtet waren, und wiesen keine Obdachlosen mehr zu. 1937 stellte das Haus seine Arbeit ein. 1950 wurde es als Bodelschwingh-Heim wiederer-öffnet.
„Im Frühjahr 2003 beginnen wir mit dem vollständigen Umbau“, sagt Leiter Horst Nitz. Das bezieht sich nicht nur auf die Wände im Haus, sondern auch aufs Konzept. Aus knapp 60 Einzelzimmern mit Gemein-schaftsküchen werden im Lauf von zwei Jahren 40 Appartements mit WC, Dusche und Kochnische. „Die Bewohner haben dort eine ähnliche Verantwortung wie in einer eigenen Wohnung. Das erleichtert den Übergang“, so der Sozialarbeiter.
Die Zahl der Plätze im Hauptgebäude wird also sinken. Doch zum Ausgleich sollen zusätzliche dezentrale Plätze entstehen: Wohnungen im Stadtgebiet, die das Bodelschwingh-Haus anmietet – mit der Aussicht, dass Bewohner den Vertrag später übernehmen. So wie bei Hinz & Künztler Heinz. Begonnen hat dieses Modell vor fünf Jahren. 25 Wohnungen wurden seither angemietet. Die Bewohner haben weiter-hin einen Ansprechpartner im Bodelschwingh-Haus, sie können dort ihr Geld verwalten lassen oder an Freizeitangeboten teilnehmen.
In Zukunft mehr solcher Wohnungen zu akquirieren, ist der Job von Katharina Schwabe. Die gelernte Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft arbeitet seit Mitte des Jahres im Bodelschwingh-Haus; vorher war sie in der Privatwirtschaft tätig. „Der Markt bei Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen ist äusserst eng“, sagt die Wohnraum-Managerin, die hauptsächlich bei den städtischen Gesellschaften SAGA und GWG akquiriert.
Pluspunkte des Modells: „Die Vermieter wissen, an wen sie sich wen-den können“, so Katharina Schwabe. Und auch wenn ein Bewohner selbst zum Hauptmieter geworden ist, steht er nicht allein. Er kann die Nachsorge des Bodelschwingh-Hauses in Anspruch nehmen. Seit 1996 wurden auf diese Weise immerhin 180 Klienten unterstützt. Die Zahl der Wohnunnungsräumungen, so die Einschätzung des Bodel-schwingh-Hauses, sei dadurch „stark zurückgegangen“.