Um die verschärften Gegensätze zwischen Reich und Arm geht es im Juni bei einer Veranstaltungsreihe des Bildungsträgers Arbeit und Leben Hamburg e.V.
Im Mittelpunkt steht St. Pauli als Musterbeispiel für die rasante Umgestaltung eines Stadtteils. An vier Abenden im Juni kommen Filmemacher ebenso zu Wort wie Obdachlose, Sozialarbeiter und Gewerkschafter.
Die Reihe startet am Dienstag, 1. Juni, um 19 Uhr am Hein-Köllisch-Platz mit einem Rundgang durch St. Pauli. Steffen Jörg von der Gemeinwesenarbeit St. Pauli zeigt den Umbruch des wohl bekanntesten Viertels in Hamburg und diskutiert die Licht- und Schattenseiten der Gentrifizierung.
Das beschäftigt auch die Filmemacher Irene Bude und Olaf Sobczak. Am Dienstag, 8. Juni, zeigen sie um 19 Uhr im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof 60 ihren preisgekrönten Dokumentarfilm Empire St. Pauli. Im Anschluss bleibt Zeit für Fragen und Diskussionen.
Am Dienstag, 15. Juni, geht es um die Lebensbedingungen von obdachlosen Menschen. Bei einem Rundgang durch die Hamburger Innenstadt kommen die Teilnehmer mit Betroffenen ins Gespräch. Treffpunkt ist um 19 Uhr am Hauptbahnhof, Ausgang Mönkebergstraße vor Saturn.
Gewerkschafter und Vertreter von Sozialeinrichtungen berichten am Dienstag, 22. Juni, über die veränderten Bedingungen von Sozialarbeit. Ein Mitarbeiter der Gesundheitsgewerkschaft aus Kopenhagen wird über alternative dänische Modelle berichten. Die Veranstaltung findet statt um 19 Uhr im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof 60.
Weitere Informationen und Anmeldung unter Tel. (040) 284016-11 oder per Mail an office@hamburg.arbeitundelben.de
Mehr über den Dokumentarfilm Empire St. Pauli, der am 8. Juni gezeigt wird:
Wandel auf dem Kiez
(aus Hinz&Kunzt 196/Juni 2009)
Der Film „Empire St. Pauli“ zeigt, wie sich das arme Viertel verändert. Die Macher wurden dafür sogar mit dem Hamburger Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet
Die Luft ist dick in der „Holstenschwemme“. Nicht nur, weil mindestens jeder zweite der rund 60 Kneipengäste Kette raucht. Sondern auch, weil alle sauer sind über das, was sie gerade in „Empire St. Pauli“ gesehen haben. Der mit dem Hamburger Dokumentarfilmpreis ausgezeichnete Streifen setzt sich kritisch mit städtebaulichen Maßnahmen auseinander. Die auf dem Gelände der ehemaligen Bavaria-Brauerei entstandenen Neubauten und renovierten Altbauten locken immer mehr Besserverdienende ins Viertel. Alteingesessene, in
St. Pauli traditionell Arme, können sich die hohen Mieten nicht leisten und müssen in billigere Quartiere umziehen.
Entstanden ist die Idee zum Film 2007 im St.-Pauli-Plenum, das regelmäßig über Veränderungen im Quartier diskutiert. „Wir haben gesehen, dass hier jeden Tag etwas passiert, und gedacht, dass man das festhalten muss“, sagt Produzent Steffen Jörg. Stiftungen bewilligten Geld, und gemeinsam mit den Filmemachern Olaf Sobczak und Irene Bude hat Jörg die Stimmung im Stadtteil eingefangen.
Mit 100 Menschen haben sie gesprochen, rund 50 von ihnen kommen vor der Kamera zu Wort. „Wir haben mehr als ein Jahr lang Interviews geführt“, so Produzent Steffen Jörg. „Und das war total spannend. Obwohl ich hier wohne, war das wie ein Intensivkurs in St.-Pauli-Geschichte.“
Hauptsächlich Anwohner erzählen, was sie bewegt, aber auch Projektleiter und Investoren, Makler, eine Vertreterin der Tourismus-Zentrale und Firmeninhaber. „Die Mitarbeiter der neuen Büros vor die Kamera zu bekommen, ist uns leider nicht gelungen“, sagt Olaf Sobczak. „Bei BBDO und AOL fühlte sich niemand kompetent für das Thema.“
Derweil steht das nächste Großprojekt bevor: Die ehemalige Bowlingbahn an der Reeperbahn soll im Sommer abgerissen werden. An ihrer Stelle entstehen die „tanzenden Türme“ nach einem Entwurf des Hamburger Architekten Hadi Teherani. Ein 150-Millionen-Euro-Projekt, das
St. Pauli einen weiteren Riesen aus Glas bescheren wird.
Für Rosi Samaz, Wirtin der „Holstenschwemme“, von der die Gäste im Film tränenreich Abschied nehmen, weil ihre Kneipe schließen muss, ist die Welt inzwischen wieder in Ordnung. Sie hat wenige Meter vom alten Standort unter gleichem Namen wieder eröffnet und ist weiterhin das Wohnzimmer von St. Pauli. Bleibt zu hoffen, dass hier nicht bald der Abrissbagger vor der Tür steht.
Text: Sybille Arendt