Der Hamburger Senat achtet nicht auf fairen Einkauf. Die Stadt Düsseldorf zeigt, was möglich ist.
(aus Hinz&Kunzt 176/Oktober 2007)
Bisher kümmert sich die Stadt Hamburg nicht darum, ob ihre Zulieferer Sozialstandards einhalten. Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Düsseldorf.
Muss der Staat Produkte aus Kinderarbeit einkaufen? Die Frage klingt im ersten Moment befremdlich. Noch befremdlicher ist die Antwort der meisten Spezialisten: Er muss. Zumindest dann, wenn Kinderarbeit am günstigsten ist. Das deutsche Vergaberecht, fest verankert im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, schreibt als Grundsatz vor: „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.“ Wie der günstigste Preis erreicht werden darf, dafür sind keine Regeln festgelegt. Bei Ware aus Niedriglohnländern bedeutet das oft: Kinder- und Zwangsarbeit.
In den europäischen Nachbarländern sieht das anders aus: Österreich, die Niederlande, Belgien, Dänemark – alle lassen neben wirtschaftlichen auch soziale Kriterien für den Behördeneinkauf zu. Aber man findet auch in Deutschland Städte, die ihren Zulieferern Vorschriften machen – Vergaberecht hin oder her. „Wir haben damit begonnen, uns von den Produzenten von Feuerwehruniformen die Einhaltung von Sozialstandards bescheinigen zu lassen“, sagt Ursula Keller vom Umweltamt Düsseldorf. Die Überlegung: Es wird sich kaum ein Unternehmen beschweren, zu groß wäre der Image-Schaden. Das klingt nach Behördenwillkür. Könnte aber eine einfache Lösung sein, um die Arbeitsbedingungen von Millionen von Menschen zu verbessern.
Es geht nicht um Peanuts. 360 Milliarden Euro jährlich gibt die öffentliche Hand für Waren und Dienstleistungen aus. Das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Spielzeug für Kitas, Blumen für Empfänge, Kaffee für Behördenmaschinen, Uniformen für Polizisten, Computer in den Amtsstuben. Den überwiegenden Teil, 60 Prozent, kaufen die Kommunen ein. Eine riesige Chance für sozialverträglich hergestellte Ware: „Auf einen Schlag würde da sehr viel Geld bewusster eingesetzt werden“, sagt Heiko Möhle vom Eine-Welt-Netzwerk,
der Dachorganisation entwicklungspolitischer Organisationen in Hamburg. „Das hätte gravierende Auswirkungen auf den Markt.“
Der Hamburger Senat beginnt sich zaghaft zu bewegen. Beim Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut wurde eine Studie in Auftrag gegeben. Die Forscher kamen mit einer Liste der Länder zurück, in denen die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht eingehalten werden. Sie sehen vor: keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, keine Diskriminierung am Arbeitsplatz und Gewerkschaftsrechte.
Doch der Senat will zunächst weiter Produkte aus Staaten einkaufen, die die Minimalforderungen missachten – wegen des Vergaberechts. Ein Antrag der GAL, nur noch fair einzukaufen, wurde im Juni mit den Stimmen der CDU abgelehnt. „Wir brauchen Rechtssicherheit“, so Hans Randl von der Finanzbehörde. „Wir wollen darauf hinwirken, dass der Bundesgesetzgeber das Vergaberecht dahingehend ändert, dass öffentliche Auftraggeber soziale Kriterien bei Ausschreibungen berücksichtigen können.“
Auf Bundesebene verläuft der Streit ums Vergaberecht zäh. Eigentlich müsste nur eine EU-Richtlinie umgesetzt werden: In Brüssel ist längst akzeptiert, dass soziale Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Rolle spielen dürfen. Wann daraus deutsches Recht wird, steht aber in den Sternen. Das CSU-geführte Wirtschaftsministerium blockiert. Es befürchtet mehr Bürokratie: „Möglichst wenig vergabefremde Kriterien sollten eine Rolle spielen.“
In Düsseldorf war alles viel einfacher. Schon im Jahr 2001 begann hier der Abschied von Produkten, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. „Als Modehauptstadt wollten wir etwas für die Arbeitsbedinungen in Textilunternehmen tun“, erklärt Ursula Keller vom Umweltamt. „Zwar können wir den Boutiquen nicht vorschreiben, was sie verkaufen – aber was wir als Stadt an Textilien einkaufen, können wir entscheiden.“
Besonders die Feuerwehr war leicht zu überzeugen: „Das hat vielleicht mit deren Ethos zu tun – sie wollten auch anderswo den Menschen helfen.“ Kurzerhand wurde die Ausschreibung für die Uniformen geändert. Weiterhin mussten sie blau sein und den Brandschutznormen genügen. Dazu kam der Zusatz: „Die Zulieferer verpflichten sich, die ILO-Kernarbeitsnormen einzuhalten.“ Alles problemlos, und teurer wurde der Einkauf auch nicht. „Schließlich machen Arbeitskosten nur wenige Prozent des Preises aus.“
Das machte Mut, einen Schritt weiterzugehen. Ende 2006 beschloss Düsseldorf, in allen Bereichen eine solche Selbstverpflichtung zu verlangen. „Das war eine Entscheidung des Rates, die von allen Fraktionen getragen wurde.“ Schlechte Erfahrungen hat die Stadt bisher nicht gemacht. „Einige Zulieferer waren sogar empört: ‚Was denkt ihr denn, was wir machen? Natürlich halten wir die Kernarbeitsnormen ein!‘“, erinnert sich Ursula Keller. Andere bewarben sich nicht mehr um Aufträge. „Natürlich könnte ein unterlegener Bewerber versuchen, gegen die Entscheidung zu klagen – aber welches Unternehmen stellt sich hin und beschwert sich öffentlich, weil es weiter mit Hilfe von Kinderarbeit produzieren will?“