In Hamburg heißt es zu Semesterbeginn für Studierende: Nichts geht mehr. Viele können siech die hohen Mieten nicht leisten. Für sie wurden provisorische Betten in einer Turnhalle aufgestellt.
Menschen, die auf provisorischen Betten in Turnhallen schlafen. Ich denke an Katastrophen, Überflutungen, Wirbelstürme. In Hamburg mussten hier im Herbst Studenten schlafen. Weil sie zu Beginn ihres Studiums keine Wohnung gefunden haben. „Kein Student soll auf der Straße schlafen“, sagt Jürgen Allemeyer. Der Leiter des Studierendenwerkes hat im vergangenen Jahr das erste Mal eine Turnhalle eröffnet. Er wollte auf Nummer Sicher gehen, denn wegen der doppelten Abiturjahrgänge und des Wegfalls von Wehr- und Zivildienst stiegen die Studierendenzahlen. In diesem Oktober haben neun Erstsemester die Halle genutzt. Das sind nicht viele, aber trotzdem zu viele.
Und das heißt auch nicht, dass nur neun Studenten Probleme bei der Wohnungssuche hatten. „Zu Semesteranfang hatten 20 bis 25 Prozent keinen festen Wohnsitz in Hamburg“, sagt Maarten Thiele vom Asta der Uni Hamburg. Viele seien bei Freunden untergekommen oder in ehemaligen Abstellkammern. „Immer mehr Studierende leben noch bei ihren Eltern, weil sie sich keine Wohnung leisten können“, sagt Thiele. „Mittlerweile pendeln sogar Leute aus Bremen oder Lübeck.“
Das Problem sind die hohen Mieten in Hamburg, die viele Studenten nicht aufbringen können. Denn Zeit, zwischen den Vorlesungen zu arbeiten, bleibt ihnen nach der Bologna-Reform auch kaum noch. Die von Vermietern geforderten Einkommensnachweise können sie nicht erbringen und Bürgschaften von ihren Eltern bekommen auch nicht alle. „Das ist insbesondere für ausländische Studierende ein Problem“, sagt Allemeyer. Er vermutet, es könne zu einer Umschichtung der Studenten kommen. Dann würden irgendwann nur noch die nach Hamburg an die Uni kommen, die sich das Leben in der Stadt auch leisten können.
Die steigenden Mieten verändern auch das Bild des Studentenlebens. „Die Zeiten, in denen die Studis alle nach Altona, St. Pauli, Schanze oder St. Georg gezogen sind, sind vorbei“, sagt Asta-Referent Thiele. „Da gibt es keinen Wohnraum mehr.“ Makler würden ihre Wohnungen nicht mehr für Wohngemeinschaften anbieten. „Das schöne Studentenleben in WGs gibt es so nicht mehr!“
Wie kann das Problem gelöst werden? „Wir brauchen unbedingt mehr preisgünstigen Wohnraum!“, fordert Jürgen Allemeyer. Maarten Thiele sieht grundlegendere Probleme: „Hamburg verwandelt sich in der Innenstadt immer mehr in ein Disneyland für Touristen und Reiche“, sagt er. „Alles, was nicht in dieses Bild der unternehmerischen Stadt passt, wird an den Stadtrand verdrängt.“
Studierendenwerks-Chef Allemeyer hat gerade in Hammerbrook ein neues Wohnheim eröffnet. 355 Euro warm kostet dort eins der 201 Zimmer. Eigentlich zu viel, findet er: „350 Euro ist die Schmerzgrenze.“ Gerne würde das Studierendenwerk noch mehr preisgünstigen Wohnraum schaffen, 200 Wohnungen plant Allemeyer. „Ich wünsche mir, dass die Stadt uns unentgeltlich ein Grundstück gibt“, sagt er. Dann könnte er die Zimmer auch günstiger vermieten.
Der Asta hat im Herbst den Protest gegen den Mietenwahnsinn mit angeführt. „Wir kämpfen aber nicht nur dafür, dass Studierende, die eh schon priviligiert sind, mehr Wohnraum kriegen“, sagt Referent Thiele. Immer mehr Flüchtlinge und Obdachlose würden wie Menschen zweiter Klasse behandelt. „Wir wollen natürlich gemeinsam auch mit diesen Gruppen zusammen für ein anderes, ein soziales Hamburg zusammen kämpfen und einstehen.“
Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg
Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante