Die Diakonie Hamburg verabschiedet ihre Chefin und Hinz&Kunzt seine Herausgeberin. Annegrethe Stoltenberg geht in den Ruhestand. Mit ihr sind wir durch politisch raue See gesegelt und werden ihre Warmherzigkeit und ihre guten Ideen vermissen.
Sie war unsere Kapitänin in rauer See: Landespastorin Annegrethe Stoltenberg (63) ist am Freitag als Leiterin des Diakonischen Werks Hamburg und damit auch als Herausgeberin von Hinz&Kunzt verabschiedet worden. Im Festgottesdienst betonte Landesbischof Gerhard Ulrich ihre „Warmherzigkeit, die in bewegten Zeiten einfach gut getan hat“. Sie habe immer „kompromisslos Partei ergriffen für die Schwachen“ und für die, „die ausgegrenzt an den Hecken und Zäunen der Gesellschaft stehen“. Stoltenberg hat 14 Jahre lang das Diakonische Werk geleitet. Für Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) war Annegrethe Stoltenberg „das Gesicht der Diakonie“. Sie habe die Vielfalt der Diakonie in der Stadt sichtbar gemacht – auch intellektuell, emotional und spirituell.
Als sie im Jahr 2000 Hinz&Kunzt-Herausgeberin wurde, sagte sie freundlich, aber bestimmt: „Ihr werdet nicht mein Lieblingsbaby sein, in der Diakonie gibt es schließlich viele ‚Kinder‘, um die ich mich kümmern muss.“ Mit Obdachlosigkeit hatte sie vorher nichts zu tun, allerdings mit den Themen Armut und Bildungsungerechtigkeit, „Themen, die mich immer sehr aktiviert und bewegt haben“, sagt die 63-Jährige. „Schon auf Bundesebene habe ich registriert, was Dr. Reimers (gründete unter anderem Hinz&Kunzt und das Hamburger Spendenparlament, Anm. d. Red.) für eine Bewusstseinsveränderung durch seine Projekte erreicht hat.“ Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass sich soziale Probleme in ein paar Jahren erledigen würden. „Für die Lösung sozialer Probleme braucht man einen langen Atem. Soziale Arbeit braucht Dauerläufer“, ist ihre Erfahrung.
Politisch wurde der Wind Anfang der 2000-Jahre rauer. Bei der Bürgerschaftswahl 2001 gewann Ronald Barnabas Schill auf Anhieb 19 Prozent der Wählerstimmen und verhalf damit der CDU mit Ole von Beust ins Rathaus. Schon im Vorfeld spürte man: Obdachlose oder Junkies sollten vertrieben werden, die Stimmung kippte. Es gab sogar Brandanschläge auf Obdachlose in der City. Später dann reformierten Bundeskanzler Schröder und seine rot-grüne Regierung das Sozialsystem. Hartz IV und Ein-Euro-Jobs wurden eingeführt. Auch wir positionierten uns immer politischer, mit der Rückendeckung unserer neuen Herausgeberin und dem Diakonischen Werk.
Eine unglaubliche Fähigkeit unserer Herausgeberin: Während die Diakonie langfristige Gremienpolitik macht und auf höchster Ebene verhandelt, ließ sie uns freie Hand. Wir sind das kleine Projekt geblieben, das schnell und mit eigenen Aktionen reagieren kann. Als solches brauchen wir oft Hilfe von außen. Annegrethe Stoltenberg baute deshalb einen Beirat aus externen Experten auf, der uns seitdem unterstützt. Besonders einschneidend war für sie, dass immer mehr junge Menschen obdachlos wurden. Da merkt man eben doch ihren Hintergrund: Schließlich war sie vor ihrem Theologiestudium Lehrerin.
Je länger sie unsere Herausgeberin war, desto mehr schätzten wir ihre herzliche, klare Art. Ende des Jahres geht sie in den Ruhestand. Und jetzt, am Ende unserer gemeinsamen Zeit, machte sie uns eine echte Liebeserklärung: „Hinz&Kunzt ist ein Lieblingsprojekt, das ist keine Frage, das Projekt und die Menschen sind so sympathisch, bezaubernd, überzeugend und kompetent – da kann man gar nicht anders, als begeistert zu sein.“ Zum Glück haben wir von Hinz&Kunzt ihr schon lange gesagt, wie sehr wir sie mögen und dass uns der Abschied wahnsinnig schwerfällt.
Wir werden Annegrethe Stoltenberg vermissen. Aber wir sind auch gespannt auf die Zusammenarbeit mit ihrem Nachfolger Pastor Dirk Ahrens. Der 50-Jährige ist ab 1. Januar der neue Landespastor, Diakoniechef – und unser Herausgeber. Seit 2009 ist er Vorstandsmitglied der Diakonie Hamburg und Chef des Diakonie-Hilfswerkes. Als solcher war er schon für Projekte der Wohnungslosenhilfe wie dem Diakoniezentrum und der Tagesaufenthaltsstätte verantwortlich. Wer er ist und was ihn bewegt, das lesen Sie übrigens in unserer Januarausgabe.
Text: BIM/BEB/epd
Foto: Dmitrij Leltschuk