Mit Konditor Adolf Andersen auf Verkaufstour: Wie die Hinz&Kunzt-Schokogruppe fürs neue Sonderheft schuftet und dabei angenehme Überraschungen erlebt
(aus Hinz&Kunzt 176/Oktober 2007)
Mitte November erscheint unser zweites Sonderheft. „Hamburger Schokoladenseiten“ heißt es, und wir gehen wie mit unserem Kochheft vom vergangenen Jahr auf Entdeckungsreise – diesmal zu Konditoren, Chocolatiers und typischen Hamburger Süßwarenmanufakturen. Konditor Adolf Andersen in Wandsbek ist einer von denen, die die Hinz&Kunzt-Verkäufer in ihre süßen Geheimnisse einweihten. Nicht nur das: Der Meister stellte sich höchstselbst mit der Schokogruppe ins Einkaufszentrum, um die mit uns gebackenen Torten zu verkaufen.
Herzklopfen – wahrscheinlich nicht nur bei mir. Die Schokogruppe, bestehend aus Hinz&Kunzt-Verkäufern und Teammitgliedern, steht nämlich mitten im Wandsbeker Quarree, mit 20 Torten bewaffnet. Das sind 240 einzelne Stücke – und die wollen wir verkaufen. Zum Glück ist Konditor Adolf Andersen, unter dessen Anleitung wir die Torten gemacht hatten, immer an unserer Seite.
Aber was, wenn niemand die Torten mag? Wenn wir heute Abend immer noch mit unseren Machwerken dastehen? Eine Viertelstunde vor dem Verkaufsstart um 12 Uhr: Zitternd packen wir die Riesenschachteln aus, drapieren die Torten appetitlich, falten schon mal Kuchenschachteln, in denen die Kunden ihre Schätze mit nach Hause nehmen können. Bauen die kleine Handkasse auf.
„Am besten, du machst das mit dem Geld“, sagt Hinz&Künztler Gerrit. Ich nicke, aber als ich mich umdrehe, steht eine Traube von Menschen um unseren Stand. Es ist noch keine 12 Uhr, und der Verkauf beginnt. „Zwei Lübecker Nuss, bitte!“, „Eine Schöppenstedter. Sagen Sie, was ist da drin?“, „Sind die Streusel auf der Käsesahne aus Baiser?“ Völlig illusorisch, dass hier nur einer die Kasse bedient. „Wie, ich soll auch kassieren?“, fragt Andreas, ungläubig, dass man ihm, dem Spielsüchtigen, auch nur für Momente eine Kasse anvertraut. Er zwinkert, und es ist klar, dass keine Gefahr besteht.
Detlef hält sich etwas zurück. Während der Arbeit ist striktes Alkoholverbot. Wer trinkt, muss gehen, so lautet eine unserer Regeln. Detlef hält durch, auch wenn seine Hände gegen Ende etwas flattern. „Ich habe nicht mal eine Rumkugel gegessen“, sagt er, und darauf kann er durchaus stolz sein.
Laura und ich, auch das muss gesagt werden, sind beim Verkauf nicht wirklich eine Hilfe. Wir sind zu langsam. Gerrit und Andreas dagegen, das muss der Neid ihnen lassen, sind die geschicktesten. Und sie wissen es. Gleichzeitig können sie den Kunden erklären, was sie da gerade vor sich haben: „Schöppenstedter – besteht aus mehreren Schichten leichter Puddingcreme aus Vanille und Schokolade, getrennt durch Tortenböden, die letzte Schicht besteht aus Nougatsahne. Obendrauf Späne aus Vollmilchschokolade.“ Meistens findet Gerrit noch die Zeit, während er schon einpackt, ausladend zu erzählen, dass er das deshalb so genau weiß, weil er diese Cremes und Puddings hergestellt hat.
Und Andreas preist die Qualität der Zutaten und der Torten dermaßen gekonnt an, dass man glauben könnte, man habe den Chef-Patissier vom Vier Jahreszeiten vor sich.
Nein, Bescheidenheit und Zurückhaltung sind unsere Sache nicht. Warum auch? Schließlich haben wir zwei Tage in der Backstube gestanden, neben den echten Kollegen – und kommen uns jetzt schon fast vor wie alte Hasen. Okay, die Böden für die 20 Torten, die hier zum Verkauf stehen, haben die Konditoren vor Ort gebacken. Aber wir waren nicht untätig, haben die Späne geraspelt, die übrigens aus der teuren Valrhona-Schokolade bestehen, haben die Mürbeteigböden mit Schokolade bestrichen, um sie von der nächsten Bodenschicht zu trennen und undurchlässig für die Feuchtigkeit zu machen. Bewaffnet mit einem Schaber haben wir die Pudding- oder Sahnefüllung auf die Böden aufgetragen.
Nicht jeder war dabei so geschickt wie Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer, der erst gar nicht mitwollte und dann derartig professionell die Kuchenform auf seiner Hand drehte und dabei Creme einfüllte, dass wir schon mutmaßten, er habe heimlich Unterricht genommen.
Und zwischendurch haben wir immer wieder mit Konditor Adolf Andersen gesprochen. Er hat uns gesagt, warum er nur die besten und manchmal teuersten Zutaten verwendet, „weil das letztlich billiger kommt, als wenn man billige Zutaten verwendet, bei denen man viel verwenden muss, um überhaupt etwas zu schmecken“. Und weil man nur aus guten Zutaten gute Produkte machen kann. „Schlechte Kartoffeln, schlechte Bratkartoffeln“, ist seine Devise. Was Gerrit auf den Plan ruft: „Sie müssen mich auf meiner Platte besuchen. Ich habe einen Gaskocher und eine Bratpfanne, und bei mir gibt’s nur die besten.“
Wir stehen immer noch im Einkaufszentrum. Plötzlich ist alles weg, 240 Tortenstücke, bis auf den letzten Krümel! Und es ist erst 14 Uhr. Adolf Andersen lächelt. Erst jetzt gesteht er, dass auch er damit nicht gerechnet hatte. Und lädt uns zum Abschied zum Tortenessen ein.
617,50 Euro haben wir in der Kasse. Geld, das die Andersens eigentlich der Schokogruppe und Hinz&Kunzt schenken wollten, jetzt aber an „Kids“ am Hauptbahnhof geht, ein Projekt für Straßenkinder. „Ist doch wohl klar, dass das an arme Kinder geht“, hatten die Hinz&Künztler wie ein Mann beschlossen. „Die haben schließlich nichts, wir haben wenigstens Hinz&Kunzt.“