Hilft viel, braucht wenig Platz: Eine Box zum Überwintern

Das Diakonische Werk sucht Kirchengemeinden, die in der kalten Jahreszeit Wohncontainer für Obdachlose bereitstellen.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Heiß begehrt: Die 87 Schlafplätze in Wohncontainern, die es im vergangenen Winter im Hamburger Notprogramm für Obdachlose gab, waren ruck, zuck besetzt. Kein Wunder: Sie bieten nicht nur eine trockene und warme Bleibe in den kältesten sechs Monaten des Jahres, sondern auch eine Chance, sich ein wenig zu erholen und neue Kraft zu sammeln.

Große Liebe

Ein Hund macht es für viele Hinz&Kunzt-Verkäufer noch schwieriger, eine Unterkunft zu finden. Aber auf das Tier zu verzichten kommt für kaum jemanden infrage

(aus Hinz&Kunzt 179/Januar 2008)

Auf Gerrits schwarzer Vliesjacke haften unzählige weiße Fussel. Fellhaare von seiner Huskyhündin Nic. Seit Jahren sind beide unzertrennlich. An Hinz&Kunzt-Verkäufer Gerrit lässt sich besonders gut erklären, warum ein Obdachloser einen Hund braucht: „Ohne Nic wäre ich längst tot.“

Frühling heißt Platte machen

In kalten Nächten schlafen mehr als 200 Menschen in Winternotquartieren. Wenn die im April schließen, wissen die meisten Obdachlosen nicht, wo sie hin sollen

(aus Hinz&Kunzt 182/April 2008)

In diesen Tagen schließen die Winternotquartiere für Obdachlose. Mehr als 200 Menschen verlieren dann Bett und Dach über dem Kopf. Was aus ihnen wird, ist in den meisten Fällen nicht bekannt. Ein Besuch in der Notunterkunft Sportallee.

Tod im Zelt

(aus Hinz&Kunzt 157/März 2006)

In Neugraben und Öjendorf starben zwei Obdachlose – SPD und GAL fordern Korrekturen am Winternotprogramm

30. Januar, auf der Freifläche nördlich des S-Bahnhofs Neugraben. Eine Frau, die mit ihrem Hund spazieren geht, will nach einem Obdachlosen schauen, der dort seit einiger Zeit zeltet. Aber er lebt nicht mehr.

Zurück auf die Straße

Ende des Winternotprogramms

(aus Hinz&Kunzt 123/Mai 2003)

Das Winternotprogramm ist vorbei. Kirchencontainer, Wohnschiffe und Notquartiere in Fachhochschulen schließen ihre Türen. Für hunderte von Obdachlosen heißt es jetzt: Zurück auf die Straße. Denn selten zuvor schienen die Aussichten auf eine eigene Wohnung so schlecht zu sein wie in diesem Jahr.

„Es sieht ganz düster aus. Die großen Wohnungsgeber sträuben sich immer häufiger, Sozialhilfeempfänger aufzunehmen“, sagt Sigrid Hochdörfer vom Verein „Trotzdem“, der Haftentlassenen hilft, eine Wohnung zu finden. „Wahrscheinlich denken die, wer den ganzen Tag zuhause hockt, der randaliert schnell mal. Und die Saga ist ja zur Zeit auf einem totalen Sanierungskurs.“ Da passen Problemmieter wie ehemalige Obdachlose, Haftentlassene und Sozialhilfeempfänger nicht mehr ins Bild.

Das Integrationsprojekt unterhält 30 Übergangswohnungen für Haftentlassene und schaffte es bislang noch, zwischen 67 und 70 Prozent der Ex-Knackies in eigene feste Wohnungen zu vermitteln. „Aber es wird immer schwieriger“, sagt Sigrid Hochdörfer. Im zweiten Halbjahr 2000 fanden noch 19 Männer mit Hilfe des Vereins eine eigene Wohnung, 2001 waren es nur elf. Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

Ähnliche Erfahrungen macht auch das Bodelschwingh-Haus, eine stationäre Einrichtung des Diakonischen Werkes, in der 70 Männer vorübergehend wohnen können: Die Männer würden im Schnitt zwei bis drei Monate länger im Bodelschwingh-Haus wohnen. Einfach deshalb, weil sie trotz großer Anstrengung keine eigene Wohnung finden. Dieser Trend verschärfe sich in den kommenden Monaten noch, weil das Winternotprogramm ausgelaufen sei. Dann werden die etwa 215 Männer und Frauen, die den Winter über in zusätzlich eingerichteten Notunterkünften hausten, zusätzlich auf den Wohnungsmarkt drängen.

Doch den Beratungsstellen bleibt oft nichts anderes übrig als die Leute an Notlösungen wie das Pik As zu vermitteln. Der Traum von der eigenen Wohnung bleibt für viele ein frommer Wunsch. Denn die Vermittlungszahlen der sieben Beratungsstellen für Personen mit Wohnungsproblemen sprechen eine deutliche Sprache: Konnten die Sozialarbeiter vor fünf Jahren noch 40 Prozent der Wohnungslosen bei der Saga oder der Gesellschaft für Bauen und Wohnen GWG unterbringen, waren es im Jahr 2001 nur noch 20 Prozent.

Besonders dramatisch macht sich die Weigerung der stadteigenen Wohnungsunternehmen in der Beratungsstelle Billstedt bemerkbar. Dort nahmen Saga und GWG im Jahre 1998 fast 90 Prozent aller Menschen auf, die die Beratungsstelle der Caritas in Billstedt und Bergedorf vermittelt hatte. Im Jahr 2001 waren es nur noch acht Prozent. Für das vergangene und das laufende Jahr erwarten die Sozialarbeiter vor Ort keine Besserung. Und das, obwohl die beiden Wohnungsunternehmen mit insgesamt 134.000 Wohnungen nicht nur wirtschaftlichen Grundsätzen, sondern auch sozialen Aspekten verpflichtet sind.

Da hilft es auch wenig, dass die Organisatoren des Winternotprogramms zumindest keinen Anstieg der Obdachlosenzahlen bemerkt haben: „Die Zahl der Obdachlosen, die im Winternotprogramm Schutz vor der Kälte suchten, ist ungefähr gleich geblieben“, sagt Kay Ingwersen, Sprecher von pflegen & wohnen. Insgesamt wurden auf dem Wohnschiff „Bibby Altona“ in Neumühlen vom 1. November 2002 bis Anfang April dieses Jahres 12.400 Übernachtungen gezählt. „Das sind 3100 Übernachtungen weniger als im Vorjahr“, so Ingwersen. Dafür seien im gleichen Zeitraum wesentlich mehr Obdachlose ins Pik As gezogen. „Dort sind wir eigentlich ständig mit Überlast gefahren“, sagt Ingwersen. Obwohl das Pik As eigentlich nur 190 Schlafplätze bereitstelle, seien bis zu 245 Männer pro Nacht dort gewesen. Das Haus sei im Schnitt zu 125 Prozent überbelegt gewesen.

Warum in diesem Winter mehr obdachlose Männer ins Pik As gingen, könne er nur vermuten. Im Vorjahreszeitraum zählten die Mitarbeiter von pflegen & wohnen auf dem damaligen Wohnschiff „Bibby Challenge“ immerhin noch 15.500 Übernachtungen. „Ein Grund könnte sein, dass die ‚Bibby Challenge‘ damals einen großen Schlafsaal hatte, der sehr beliebt war“, so Ingwersen. „Es gab dort insgesamt mehr Platz für den Einzelnen.“ Doch auch das könnte ein Grund für sinkende Zahlen sein, wird in der Szene vermutet: In den vergangenen Jahren hätten Drückerkolonnen das Winternotprogramm der Wohnschiffe missbraucht, um ihre Mitarbeiter kostenlos unterzubringen. In diesem Jahr müssen die Männer auf dem Wohnschiff ihre Ausweise vorzeigen. Es sollen nur noch wirkliche Obdachlose an Bord. Selbst zum Ende des Programms im April seien die Belegzahlen noch immer sehr hoch gewesen. „Das liegt“, so Ingwersen, „auf jeden Fall an dem langen Winter, den wir dieses Jahr hatten.“

Zu einer anderen Bilanz kommen dagegen die Mitarbeiter der Tagesaufenthaltsstätte Bundesstraße, die die Containerplätze vermittelt hat: „Der Andrang war riesig“, sagt Mitarbeiterin Rika Klauzsch. „Am Anfang standen die Männer bis auf die Straße hinaus Schlange. Wir haben absolut steigende Zahlen und hätten noch mehr Kapazitäten gebraucht. Sowohl beim Winternotprogramm als auch bei der Essensausgabe: Zum ersten Male haben wir über das Jahr gesehen mehr als 20.000 Essen ausgegeben.“

Auch Peter Lühr, der Leiter der Beratungsstelle für Haftentlassene in der Kaiser-Wilhelm-Straße, sieht wenig Anlass zu Optimismus: In Hamburg werden täglich fünf Strafgefangene aus der Haft entlassen, die keine Wohnung haben, so Peter Lühr. Die Chancen für diese Männer, in absehbarer Zeit in eine eigene Wohnung zu kommen, hätten sich drastisch verschlechtert. „Die Stadt gibt gern Menschen zu uns in die Haftanstalten ab“, sagt Peter Lühr, „aber wieder nehmen will sie sie nicht.“

Petra Neumann

Ärger auf dem Wohnschiff

Wachdienst schikanierte Obdachlose

(aus Hinz&Kunzt 119/Januar 2003)

Zwei Übergriffe durch Wachmänner meldeten Obdachlose vom Wohnschiff „Bibby Altona“.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2002 soll eine Frau von zwei Männern auf den Kopf geschlagen worden sein. Der Vorfall soll sich ereignet haben, nachdem sich Christine B., die an einer schweren Lungenkrankheit leidet, geweigert habe, in einem für sie bestellten Krankenwagen mitzufahren. Die Wachleute seien wegen dieser Geschichte „richtig genervt“ gewesen, so ein Bekannter der Frau.

Christine B. erzählt, dass sie von Wachmännern gepackt und in eine Ecke gedrängt wurde. Dort sei sie geschlagen worden. Ihr Bekannter konnte nichts sehen, hörte aber die Schreie der Frau, ebenso andere Bewohner. Er beschloss deshalb, Christine B. selbst ins Krankenhaus zu bringen. Der Wachdienst Pütz Security bestreitet, die Frau geschlagen zu haben.

Allerdings war das nicht der erste Zwischenfall. Vier Obdachlose wurden mitten in der Nacht von Sicherheitsleuten vom Schiff gejagt. Der Hintergrund: Ein Mann hatte in den Flur uriniert. Das wurde von den diensthabenden Wachmännern morgens gegen 1.15 Uhr entdeckt. Daraufhin weckten sie sämtliche Bewohner, deren Zimmer auf den Flur führten.

Als alle „angetreten“ waren, zwangen die Wachmänner die Obdachlosen einen nach dem anderen, einen Teil des Flures zu putzen. Vier Obdachlose weigerten sich. Die Sicherheitsleute zwangen die Männer nach deren Aussagen, sofort das Schiff zu verlassen. „Wir hatten kaum Zeit, unsere Sachen zu packen.“ In einem offenen Brief an den Betreiber des Schiffes, pflegen & wohnen (p&w), beschwerten sich die Männer über diese Schikane.

p&w-Sprecher Kay Ingwersen ging der Sache sofort nach. Die Sicherheitsmänner räumten ein, die Bewohner mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und sie zur Säuberung des Flurs gezwungen zu haben. Allerdings stritten sie ab, die Verweigerer von Bord gejagt zu haben. p&w erteilte dem Wachdienst eine mündliche Ermahnung. „Das ist ein drastischer Hinweis: So geht das nicht“, sagte der Sprecher.

Noch am Nachmittag wurden die Obdachlosen wieder aufs Schiff gelassen. Peter Krause, Leiter der zentralen Erstaufnahme, entschuldigte sich bei den Männern. Krause hat allerdings in diesem Fall eine Erklärung für den Vorfall: Am Tag davor hätten vier Obdachlose eine Kabine mit Kot verschmiert. Krause geht davon aus, dass dies mutwillig geschah. Die Obdachlosen erhielten Hausverbot. Und die diensthabenden Wachleute bekamen von ihm einen Anschiss. Da hätten die Männer wohl „überreagiert“.

Das glauben viele Bewohner allerdings nicht. Dass man „blöd angemacht“ werde, komme häufig vor. Drei bis fünf Wachleute von den 20 hätten es regelrecht auf Streit abgesehen. „Denen darf man gar nicht in die Augen gucken, sonst fühlen die sich provoziert“, sagten mehrere Männer. Der Pütz Security Service gehört allerdings zu den Sicher-heitsdiensten mit einem relativ guten Ruf. Die Drogeneinrichtung Fixstern arbeitete mit Pütz zusammen und war „sehr zufrieden. Da hatten wir allerdings zwei bestimmte Ansprechpartner.“

Genau das strebt der Betreiber p&w jetzt auch an: Für das Winternotprogramm sollen in Zukunft zwei spezielle Wachleute zuständig sein. Krause: „Wir versprechen uns davon eine Verbesserung des Klimas.“

Birgit Müller

Wie Hinz&Künztler leben

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Für die große Fotostrecke in der Jubiläumsausgabe zur 200. Hinz&Kunzt haben wir 104 Verkäufer nicht nur geknipst, sondern auch interviewt. Sie haben uns verraten, wie alt sie sind, wie lange sie schon bei Hinz&Kunzt sind und wo und wie sie leben. Etwa 400 Hinz&Künztler verkaufen jeden Monat das Straßenmagazin. Die Daten von einem Viertel von ihnen lassen Schlüsse auf die Situation unserer Verkäufer insgesamt zu.

DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE: