Reeperbahn

Warum ein Alkoholverbot nichts bringt

Auf der Reeperbahn rumort es: Einige Gewerbetreibende wollen ein Alkoholverbot. Herumliegende Betrunkene seien ein „Kulturschock“. Nun kommt Gegenwind: von Hilfeeinrichtungen und anderen Gewerbetreibenden vom Kiez.

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Visite auf der Platte

Dorothee Freudenberg besucht psychisch kranke Obdachlose an ihren Stammplätzen – in Deutschland ein einmaliges Projekt

(aus Hinz&Kunzt 201/November 2009)

Ein Helfer weniger

Geldnot: Caritas stellt Straßensozialarbeit ein

(aus Hinz&Kunzt 120/Februar 2003)

Man muss sich um Obdachlose dort kümmern, wo sie sich heimisch fühlen. Da kann man am meisten bewegen“, sagt Peter Ludt. Fünf Jahre lang war der 44-Jährige auf Hamburgs Straßen unterwegs und kümmerte sich um die, an denen andere lieber vorbeigehen. 375 Menschen hat er in dieser Zeit betreut, viele über Jahre, so seine persönliche Bilanz – nun ist Schluss. Da sein Arbeitgeber, der Caritasverband, angesichts sinkender Einnahmen sparen muss und auch die Stadt nicht mehr Geld in Straßensozialarbeit investieren will, wechselt Ludt in die Obdachlosen-Krankenstube auf St. Pauli, wo ein Kollege in den Ruhestand geht.

„Bedauerlich“ findet das der gelernte Sozialpädagoge: „Die Obdachlosen werden darunter leiden.“ Anders als die Kollegen innerstädtischer Hilfseinrichtungen, die definierte Zielgruppen wie etwa Alkoholiker betreuen sollen, eilte Ludt mit seinem Auto immer dorthin, wo es gerade brannte – zur Not auch in die Vororte und so lange, wie es eben nötig war. „Ich musste nicht im Minuten-Takt Gespräche führen“, so der Sozialarbeiter rückblickend. „Wenn jemand Hilfe benötigte, konnte ich sagen: Alles andere ist jetzt nebensächlich.“

Doch Ludt weiß: Der Erfolg seiner Arbeit ist nicht in Zahlen messbar. In Zeiten leerer Kassen ist das ein ungünstiger Umstand. Statt seine Stelle zu streichen, würde der Sozialpädagoge – wenn er denn könnte – lieber mehr professionelle Helfer durch die Stadt gehen lassen. „In Frankfurt zum Beispiel kümmern sich sieben Straßensozialarbeiter allein um Obdachlose.“ Langfristig lohne sich das, meint Ludt und erzählt die Geschichte zweier „langjähriger Klienten“, eines Mannes und einer Frau. Kennen gelernt hat er sie vor Jahren auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz. Oft hat Ludt mit ihnen gesprochen, immer wieder Hilfe angeboten – schließlich mit Erfolg: „Früher haben sie von Sozialhilfe gelebt“, erzählt der Streetworker. „Heute sind sie miteinander verlobt, haben zwei Kinder, die Frau ist im Mutterschutz und der Mann arbeitet als Lagerarbeiter für eine Zeitarbeitsfirma.“

In Ludts Augen ist das nicht nur eine schöne, sondern auch passende Geschichte: „Man könnte Obdachlose noch weitaus mehr motivieren, etwas für sich zu tun“, glaubt der Profi-Helfer. „Denn meist haben sie einfach nur Angst vor dem nächsten Schritt.“

Ulrich Jonas