Mietertreffen Esso-Häuser

„Baut’s eier Häusle woanders!“

Die Auseinandersetzungen um den geplanten Abriss der Esso-Häuser an der Reeperbahn gehen weiter. Eine Versammlung, an der neben Vertretern der Investoren nur Mieter teilnehmen durften, die sich als solche ausweisen konnten, wurde von buntem Protest begleitet.

Müll sammeln statt Mist bauen

Junge Männer aus St. Pauli gehen auf „Dreck Attack“, lernen reden und stecken sich hohe Ziele

(aus Hinz&Kunzt 180/Februar 2008)

Sieben Jugendliche aus St. Pauli wollen, dass ihr Stadtteil sauberer wird. Unter dem Namen „Dreck Attack“ putzen sie deshalb einmal pro Woche die Straßen. Ihr Engagement soll auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz helfen.

„Verdammte Scheiße!“, flucht Hinz&Kunzt-Fotograf Mauricio Bustamante und bringt das Problem damit auf den Punkt. Kaum zehn Minuten ist er in den Straßen von St. Pauli unterwegs und schon zum zweiten Mal in Hundedreck getreten. Für Özgür (Foto) ein weiterer Beweis, wie wichtig seine Arbeit hier ist.

Stille Nacht auf dem Kiez

Die Weihnachtsgeschichte 2008: Das Jahrmarkttheater bringt ein modernes Krippenspiel auf die Bühne des Schmidts Tivoli

(aus Hinz&Kunzt 190/Dezember 2008)

Eigentlich liegt die Idee auf der Hand, vor Weihnachten ein Krippenspiel zu inszenieren, doch Torsten Hammann ist der Erste, der die Idee auch umsetzt. Gemeinsam mit Regisseur Thomas Matschoß hat er die Weihnachtsgeschichte in das Hamburg von heute versetzt – mit Herbergssuche, Geschenketerror, einem zechenden Obdachlosen und einem sarkastischen Engel. Hinz&Kunzt war bei den Proben dabei.

Wenn Patienten kein Zuhause haben

Anlaufstelle für Obdachlose, die Pflege brauchen: die Krankenstube der Caritas in St. Pauli

(aus Hinz&Kunzt 175/September 2007)

Es riecht beißend nach Desinfektionsmittel und warmem Badewasser. Michaela sitzt auf einem Metallstuhl, an die grüngekachelte Wand gelehnt. Die 38-Jährige streckt die Beine aus, lässt Luft an die offenen Stellen in der Haut. Der eine Fuß ist schief verwachsen. „Ich bin seit 20 Jahren auf der Straße“, sagt Michaela Orth, „die Probleme kamen ganz plötzlich, vor zwei Jahren konnte ich noch ganz normal gehen.“ Die blau verfärbte Haut auf ihren Beinen lässt erahnen, wie groß die Wunden auf ihren Beinen mal waren, bis sich Michaela Hilfe holte.

St. Pauli ist deutscher Meister – und keiner hat’s gemerkt

Dank Kraft und Mut, Taktik und Teamgeist: Die Rugby-Frauen des FC St. Pauli sind Rekordsieger in der Bundesliga

(aus Hinz&Kunzt 156/Februar 2006)

15 Frauen in Braun-Weiß stürmen aus dem kleinen Backsteinhaus auf den Rasen. Ihre Gegnerinnen in den roten Trikots vom RC Leipzig warten schon. Zwischen die aufgereihten Mannschaften wird der ovale Ball gelegt, und Johanna Jahnke (22), die Kapitänin des FC St. Pauli, gibt das Kommando zum Anstoß. Das Rugbyspiel beginnt.

Kiez auf Landverschickung

(aus Hinz&Kunzt 146/April 2005)

Rettung oder Ausverkauf? Die einzigartige Sammlung des St. Pauli Museums wartet auf dem platten Land auf eine Perspektive, aber die Zeit drängt

Männer an ihren Grenzen

Das „Herz As“ hat seine eigene Fußballmannschaft

(aus Hinz&Kunzt 132/Februar 2004)

Die Stimmung in der Kabine ist so kämpferisch, wie sie nach einer anstrengenden Halbzeit in eisiger Kälte eben sein kann. „Sie sind zu schnell!“, stöhnt Rolf über die Gegner. Mit 52 Jahren ist der Träger eines extravaganten Schnurr- und Backenbarts der Älteste auf dem Platz. Und als Torwart hatte er in der ersten Halbzeit viel zu tun. Auch der Rest der Mannschaft ist ziemlich fertig, vor Anstrengung, aber auch, weil der Ball nicht im gegnerischen Tor gelandet ist. Andreas Bischke schwört sein Team auf eine neue Strategie ein: „Wir spielen jetzt mit zwei Spitzen, Jens kommt mit nach hinten.“ – „Den Spieler mit der Nummer fünf manndecken.“ – „Und sich mehr anbieten.“ – „Kämpfen.“ Normalerweise ist Bischke Sozialarbeiter in der Tagesaufenthaltsstätte „Herz As“ und hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Wohnungslosen. Jetzt ist er Coach – da ist zu viel Nachsicht nicht angebracht. Halbzeitpause vorbei, raus in die Kälte, raus aufs Feld.

Sie nennen sich „Herz-As-Chaoten“. Und bezeichnen sich auf ihrer Homepage augenzwinkernd als „dritte Macht an der Elbe“, nach dem HSV und dem FC St. Pauli. Zusammengewürfelt aus fußballbegeisterten Besuchern und Mitarbeitern des Herz As tritt die Mannschaft gegen Hamburgs Freizeitvereine an. Gegner ist heute St. Pauli, zwar nicht die erste Mannschaft, aber „Trainer und Verbündete“, eine Truppe Pauli-Mitarbeiter um Jugendtrainer Andreas Bergmann.

Schauplatz ist das St.-Pauli-Jugendleistungszentrum am Brummerskamp. Grün strahlt der Kunstrasen unter dem gleißenden Flutlicht. Dass es bitterkalt ist, merken die Spieler weniger als das Grüppchen treuer Fans, die trotz der Minusgrade zum Spiel gepilgert sind. Alle vom Herz As, manche, wie Tanja, lassen sich sogar kein Training ihres Vereins entgehen. Weil ihr Verlobter René auf dem Platz steht. Ihr Tipp für den Spielausgang: „Gewinnen wird wahrscheinlich leider St. Pauli. Aber es geht ja nicht ums Gewinnen.“

Worum es eigentlich geht, erklärt Traudel Schönsee. Die Herz As-Mitarbeiterin regte die Bildung der Freizeitmannschaft an und lässt jetzt kein Spiel aus. „Die Leute sind plötzlich für Beratungsgespräche zugänglicher“, sagt Schönsee, „durch gemeinsames Erleben kommt man besser an die Wohnungslosen ran.“ Außerdem tut Sport gut: „Ich finde die Chaoten schon allein wegen der Kondition klasse, schau dir an, wie die wetzen. Wenn ich den einen oder anderen dann im Herz As sehe, kann ich nur den Kopf darüber schütteln, wie lahmarschig die sonst sind.“ Und die Disziplin der Freizeitkicker erstaunt sie: „Alle fügen sich in die Gruppe ein, keiner sagt: ,Es ist zu kalt und ich bleibe zu Hause.‘“

Auch Herz-Asler Raimund ist als Schlachtenbummler bei allen Spielen dabei. Beeindruckt hat ihn vor allem das Match gegen die Altherren-Mannschaft des HSV: „Da waren 50 Zuschauer, und sogar der Schiedsrichter war auf unserer Seite.“ Hinter vorgehaltener Hand habe er am Ende des Spiels gesagt, dass er Elfmeter gepfiffen hätte, wenn die Chaoten kein Tor gemacht hätten. War aber nicht nötig, das Spiel ging 2 zu 9 aus. „Wenn ich bei Günther Jauch gewinne, spendiere ich den Chaoten eine eigene Arena“, sagt Raimund und lacht: „In Herzform.“

Und plötzlich: „Tor!“ Für die Chaoten. Der Befreiungsschlag. Raimund reißt die Arme hoch. Zwar ist es schwer, beim 1 zu 10 schon von einem Anschlusstreffer zu sprechen, aber vielleicht platzt jetzt der Knoten. „Einer geht noch, einer geht noch rein!“, skandiert Raimund. Auch wenn es nicht ums Gewinnen geht. Das Tor war wichtig. Es beflügelt die Mannschaft. Vor allem René, der Rolf im Tor abgelöst hat, wirft sich jetzt nach jedem Ball. Auch die anderen geben keinen Zweikampf verloren. Weil es so kalt ist, scheinen die Körper durch den Schweiß zu dampfen. „Nach dem ersten gemeinsamen Training“, erzählt Andreas Bischke, der an der Seitenline auf und ab geht und seinen Spielern Kommandos zuschreit, „hatte ich bei manchen Angst, dass ich sie hinterher reanimieren muss.“ Heute rennen die Spieler ohne größere Schwierigkeiten über die ganze Zeit. Wenn die Gelenke mitmachen. „Es schmerzt schon, dass ich jetzt nicht mitspielen kann“, sagt Uwe, der neben dem Trainer steht, „aber mein Knie tut schon seit ein paar Monaten weh, da darf ich nichts riskieren.“

Das Spiel gegen Pauli geht 3 zu 13 aus. Zurück in der Kabine zollt Andreas Bergmann von St. Pauli dem Gegner Anerkennung: „Dafür, dass die nur einmal die Woche trainieren, war das schon richtig gut.“ Dann wird gemeinsam gefeiert und über das Spiel gefachsimpelt. St. Pauli spendiert zwei Kästen Bier. „Prost Jungs!“, sagt Andreas Bergmann, und die Bierflaschen werden begeistert in die Höhe gereckt. Ein kühles Bier bei minus zwei Grad Außentemperatur – das tut wohl nur gut, wenn Männer an ihre Grenzen gegangen sind.

Marc-André Rüssau

„Wir standen vor den Trümmern und haben geweint“

Eine Familiengeschichte im Sanierungsgebiet St. Pauli-Süd

(aus Hinz&Kunzt 134/April 2004)

Die SAGA plant den größten Kahlschlag auf St. Pauli seit der Hafenstraße. Bedroht sind sechs Häuser in der Trommelstraße und Lincolnstraße, darunter das historische Hagenbeck-Haus. Wieder ein Fall, in dem das Viertel mit der Abrissbirne „saniert“ wird, findet Anwohnerin Heike Jung.